Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote vom Johannisberg

Die Tote vom Johannisberg

Titel: Die Tote vom Johannisberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
Vom Netzwerk:
»Versprochen.«
    »Es ist die Jahrestagung des Verbandes der deutschen Detektive.«
    *
    Wieder ging es in den Aufzug.
    »Wissen Sie«, sagte Wintershausen, »ich wäre auch gern Detektiv geworden. Aber wahrscheinlich ist das in Wirklichkeit nicht so spannend wie in den Krimis.« Die Kabine ruckte an. »Es ist eine komische Sache. Es hat ja früher schon Vorfälle gegeben, die mit spektakulären Stürzen zu tun hatten.«
    »Meinen Sie in Wuppertal oder hier in der Stadthalle? Bei Wuppertal fällt mir nur die Geschichte von Tuffi ein - dem Elefanten, der bei einer Zirkus-Reklamefahrt aus der Schwebebahn gesprungen ist.«
    »Genau. Aber auch hier in der Halle selbst gab es so etwas. In den fünfziger Jahren, glaube ich, ist zum Beispiel ein Mann während eines Konzerts von der Empore gestürzt.«
    »Ist er dabei umgekommen?«
    Er zuckte mit den Schultern »Das weiß ich nicht. Man nimmt an, daß er sich von der Musik so stark begeistern ließ, daß er alles um sich herum vergaß.«
    »Es wurde aber nicht Mozart gespielt?«
    »Nein. Es war Bruckners achte Sinfonie.«
    Mittlerweile waren wir wieder im obersten Stock angekommen. Der Geschäftsführer bat mich, kurz zu warten. Er verschwand hinter einer Tür, auf der »Regieraum« stand. Dann kam er zurück und schloß eine andere Tür auf. Über eine Treppe aus hellem Metall ging es nach oben. Wir erreichten eine weißgestrichene Eisentür. »Betreten verboten, Lebensgefahr«, warnte ein gelbes Schild.
    »Na, die Risiken sind ja nicht zu übersehen«, bemerkte ich.
    Wir gingen auf einem schmalen Gang weiter. Der Boden war nichts als ein Metallrost, links und rechts mit einem Geländer gesichert und mit gelbschwarzem Klebeband markiert. Sogar ein Sehbehinderter hätte hier keine Schwierigkeiten gehabt, auf dem richtigen Weg zu bleiben.
    Auf beiden Seiten erstreckte sich der weite Raum des Dachbodens, in dem das trübe Licht verdämmerte. Ich blickte nach unten und sah zwei Meter tiefer einen weiteren, etwas gewölbten Fußboden.
    »Das ist die Decke des großen Saales«, erklärte der Geschäftsführer. »Wir blicken jetzt von oben darauf. Wie gesagt: Auf der Stuckkonstruktion kann man nicht gehen, weil sie nicht viel Gewicht trägt. Deswegen gibt es diese Sicherheitsgänge.«
    Die Brücke führte über die gesamte Länge des Konzertsaales, unterbrochen von einigen eingezogenen Wänden. Hier mußte Wintershausen wieder eine Tür öffnen, damit es weiterging.
    »Jetzt sind wir in der Mitte des Saales«, sagte er schließlich. »Kommen Sie weiter.«
    Wenige Schritte noch, dann deutete der Geschäftsführer nach unten. Ich sah einen Scheinwerfer, groß wie ein Ölfaß und schwarz gestrichen. Er schien in dem gewölbten Boden zu versinken. Daneben war die Stuckdecke heller und merkwürdig gerillt. Ich wollte schon fragen, was das war, doch dann erkannte ich es. So, wie man Felder und Waldstücke für eine bunte Tischdecke halten könnte, wenn man aus dem Flugzeug blickt, sah ich, daß die scheinbaren Rillen im Fußboden die Stuhlreihen waren - unglaublich tief unten. Unwillkürlich spürte ich ein leichtes Schwindelgefühl.
    »Etwa zwanzig Meter«, sagte Wintershausen nur. »Hier ist es passiert.«
    Die Öffnung rund um den Scheinwerfer war breit genug, daß ein Mensch hindurchfallen konnte.
    »Das heißt, sie hat hier den Sicherheitsweg aus irgendwelchen Gründen verlassen«, bemerkte ich.
    »Aus irgendwelchen Gründen, ja.«
    Schweigend kehrten wir zurück. Als wir wieder im Büroflur waren, lächelte mich der Geschäftsführer an. »Und?« fragte er.
    »Und was?« fragte ich.
    »Haben Sie jetzt gesehen, was Sie sehen wollten?«
    Ich nickte nur. Dann verabschiedete ich mich und verließ die Stadthalle.
    *
    Ich schlenderte an dem neuen Hotel vorbei, das sich seit September zwischen der Stadthalle und dem »Schwimmoper« genannten Hallenbad drängte, und faßte zusammen.
    Die offizielle Theorie war: Regina Mallberg beschloß, sich umzubringen. Sie schrieb einen Abschiedsbrief. Dann ging sie in das Konzert. Sie schlich sich auf den Dachboden und stürzte sich durch einen dieser Scheinwerferschächte. Dazu mußte sie erstens die Stadthalle und ihre räumlichen Möglichkeiten gut kennen. Zweitens mußte sie wissen, ob und wann die Türen zu dem Dachboden unverschlossen sind. Das schien ja, wie Wintershausen gesagt hatte, sehr unregelmäßig der Fall zu sein. Und schließlich blieb die Frage, warum sie ihren angeblichen Selbstmord überhaupt so kompliziert plante und nicht einfach

Weitere Kostenlose Bücher