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Die Tote vom Johannisberg

Die Tote vom Johannisberg

Titel: Die Tote vom Johannisberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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grimmig.
    »Ich denke immer ans Sterben«, erklärte Regina Mallberg und machte ein flehendes Gesicht. »Mich hat niemand lieb. Ich wollt, ich wär ein still Heiligenbild und alles in mir ausgelöscht.«
    Dann stellten sich die beiden Frauen nebeneinander, und auch die Katze stand auf ihren Hinterbeinen, allerdings immer noch auf dem Harmonium, wodurch sie riesig wirkte. Dann sprachen alle drei im Chor. »Auf einmal mußte ich singen«, sagten sie. »Und ich wußte nicht, warum.«
    Sie wiederholten es. »Auf einmal mußte ich singen. Und ich wußte nicht, warum.«
    Und sie wiederholten die Zeile wieder und wieder, immer rhythmischer: »Und ich wußte nicht, warum. Und ich wußte nicht, warum. Und ich wußte nicht, warum.«
    In ihre Rezitation mischte sich von ferne Musik. Ein Tanz im Dreivierteltakt, der immer lauter wurde. »Und ich wußte nicht, warum. Und ich wußte nicht, warum. Und ich wußte nicht, warum …«
    Alles wurde immer schneller. Es war wie ein Film, der nach und nach in einen Zeitraffer gerät. Das Harmonium begann von selbst zu spielen, der Walzer wurde lauter und lauter. Else Lasker-Schüler, Regina Mallberg und auch die plötzlich menschengroße Katze auf den Hinterbeinen faßten sich an Händen und Pfoten und begannen mit verbissenen Gesichtern zu schunkeln. Die Musik übertönte alles, sogar mein Schreien. Ich hatte meine Stimme wiedergefunden, aber es nützte nichts.
    Es wurde still. Die Musik verstummte plötzlich. Sie machte einem schrillen Geräusch Platz, das sich in mein Ohr bohrte. Der Film blieb stehen, und das Bild zerbrach in tausend Scherben. Regina Mallberg und die Katze verschwanden. Die alte Frau war wieder Frau Cronen und wurde dann plötzlich Frau Mallberg.
    Auf dem Harmonium stand ein Telefon. Frau Mallberg griff zum Hörer und hielt ihn mir hin.
    »Herr Rott, da ist ein Anruf für Sie!«
    *
    Ich hatte hämmernde Kopfschmerzen. Als ich mich bewegte, spürte ich, daß meine Kleider naß von Schweiß waren. Ich öffnete die Augen. Nach und nach stellte sich die Erinnerung ein. Erst in Fetzen, dann in größeren Stücken. Ich konnte mich kaum bewegen. Alles tat weh. Ich schloß die Augen wieder und gab dem Verlangen nach, noch eine Weile vor mich hin zu dösen. Keine Ahnung, wie spät es war.
    Das Telefon klingelte. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon ein bißchen wacher, wahrscheinlich war ziemlich viel Zeit vergangen. Ich stand sehr vorsichtig auf und ging dem Klingeln nach. Mein Kopf brummte wie ein Bienenschwarm. Ich fand den Apparat, konnte aber nicht sprechen und räusperte mich erst einmal. Sofort ging ich wieder in die Knie.
    »Rott.«
    »Mallberg hier. Guten Morgen. Habe ich Sie geweckt?«
    »Äh, nicht direkt. Einen Moment bitte.«
    Ich hielt den Hörer zu und räusperte mich noch einmal ausgiebig. Mein Mund war trocken wie Löschpapier. »So, Frau Mallberg, da bin ich wieder. Ich hatte gerade einen Hustenanfall. Erkältung, wissen Sie …«
    »Herr Rott, wir hatten vereinbart, daß heute der Tag sein sollte, an dem ich entscheide, ob ich Sie weiterbeschäftige.«
    Während sie sprach, ließ ich meinen langsam erwachenden Blick über das Trümmerfeld streifen. Ich spürte einen Stich, als ich das reglose Fellhäufchen in der Ecke bemerkte. »Das ist richtig, Frau Mallberg.« Sag es nicht, dachte ich.
    »Ich habe mich nun dazu entschlossen, auf Ihre Dienste zu verzichten.«
    Sie hatte es gesagt.
    »Ich habe es mir gut überlegt. Und ich habe es ja auch gestern schon angedeutet. Ich habe auch mit meinem Mann darüber gesprochen.«
    »Frau Mallberg, ich rate Ihnen dringend von dieser Entscheidung ab. Es haben sich gerade heute nacht Dinge ergeben, die -«
    »Mein Entschluß steht fest.«
    »Aber lassen Sie mich doch bitte ausreden.« Ich hatte etwas lauter gesprochen, mein Kopf begann sofort wieder zu brummen. Ich hatte einen ekelhaften Geschmack im Mund.
    »Möchten Sie, daß ich es noch mal wiederhole?«
    »Nur einen Moment…«
    »Wir wissen nun, daß es doch Selbstmord war. Und wir möchten unsere unglückliche Tochter in Frieden ruhen lassen. Gott sei ihrer Seele gnädig.« Frau Mallbergs Stimme war weinerlich geworden. Als wäre es nicht sie selbst, die da sprach. Sie klang wie ein Entführungsopfer, dem man vorlegt, was es zu sagen hat.
    »Frau Mallberg. Ich werde dieser Sache weiter nachgehen, ob Sie es wollen oder nicht. Mittlerweile bin ich selbst zum Opfer geworden und habe ein Interesse …« Plötzlich war es still in der Leitung.
    »Frau Mallberg?« Sie hatte

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