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Die Tote vom Johannisberg

Die Tote vom Johannisberg

Titel: Die Tote vom Johannisberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Dingen zu.«
    »Was soll das heißen? Stimmt die Geschichte nicht?«
    »Wissen Sie - wir sind eine alteingesessene Familie. Das heißt, von der Familie ist ja nicht mehr viel übrig, seit mein Mann vor sie rechnete nach, »vor fünfzehn Jahren gestorben ist. Kinder haben wir leider keine, und auch ich war ein Einzelkind. Die Familie Weyer wird mit mir also aussterben.«
    »Das heißt, Sie sind eine geborene Weyer?« Es sollte keine Frage sein, mehr eine Klarstellung.
    Sie sah mich streng an. »Natürlich.« Sie legte die Hände auf die Spitzendecke, die den Tisch schmückte, und machte eine Bewegung, als wolle sie mir Geld vorzählen. Dabei sprach sie sehr langsam, wie eine Grundschullehrerin. »Meine Großmutter war Margarethe Weyer.« Sie tippte auf den Tisch. »Sie war die Tochter von August Weyer, dem Inhaber der Firma Weyer. Das war übrigens eine Harmoniumfabrik. So.«
    Sie machte eine Pause. »Margarethe Weyer wurde im Jahre 1870 geboren. Als sie achtzehn Jahre alt war, kam ein junger Musiker aus Wien nach Wuppertal. Das heißt, damals hieß es ja noch Elberfeld. Es war der später sehr berühmte Franz Lehár. Damals war er noch gänzlich unbekannt. Aber er besuchte meine Urgroßeltern und meine Großmutter. Und meine Großmutter war ein junges Mädchen, das gern tanzte und gern Walzer am Klavier spielte.« Sie machte wieder eine Pause.
    »Und so schrieb Lehár diesen Walzer für sie«, führte ich die Sache schnell zu Ende.
    »So ist es.« Sie sah mich befriedigt an, als hätten wir gemeinsam eine schwierige Aufgabe gelöst. Ich hätte gern gewußt, wie alt Frau Cronen war, doch ich fand es taktlos, danach zu fragen.
    »Und dann sind die Noten verlorengegangen.«
    »Na ja. Zwei Weltkriege. Und die Umzüge. Wir haben in den vierziger Jahren unsere Habseligkeiten ins Bergische Land gebracht. Dabei ist so manches weggekommen.«
    »Aber sind Sie Herrn Satorius denn nicht dankbar, daß er dieses wertvolle Stück wiederentdeckt hat?«
    »Das hat er nicht.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich habe die Noten, die Lehár damals schrieb, noch nicht mit eigenen Augen gesehen. Was Herr Satorius hat, ist bestenfalls nachgemacht.«
    »Nachgemacht ?«
    »Na ja, wie nennt man das denn … fotografiert, wissen Sie.«
    »Sie meinen eine Fotokopie.«
    »Genau.«
    »Hm. Aber ist das nicht egal? Ich meine - zumindest ist doch die Musik wieder da.«
    Sie wedelte mit dem Finger. »Das ist nicht egal, junger Mann. Die Noten gehören in meine Familie. Sie sind unser Eigentum. Es gibt keinen Hinweis darauf, daß sie verkauft wurden. Ich sage Ihnen, und das können Sie ruhig schreiben: Jemand hat sie gestohlen!«
    »Was sagt denn Herr Satorius dazu? Er hat mir gegenüber behauptet, jemand habe die Partitur auf seinem Dachboden gehabt.«
    »Ein Unbekannter soll sie besitzen. Jemand, der sie nicht hergeben will. Ein Unbekannter, der seinen Namen nicht nennen will.«
    »Und Sie verlangen, daß man offenlegt, wer die Partitur hat?«
    Sie nickte eifrig. »Ganz recht. Was sind denn das für Sitten, wenn jemand im Besitz eines solchen Dokuments ist und anonym bleiben will? Der hat doch etwas zu verbergen!«
    »Wer könnte dieser Unbekannte sein?«
    »Das weiß ich nicht. Wenn ich es wüßte - ich würde ihn verklagen. Die Noten gehören zur Geschichte unserer Familie. Das hat nichts mit Geld zu tun.«
    »Kennen Sie eigentlich Regina Mallberg?« fragte ich dann.
    »Das Mädchen, das so tragisch verunglückte? Jeder in Wuppertal kennt die Geschichte.«
    »Ich meine, kannten Sie sie persönlich?«
    »Auch. Sie war ein paarmal hier. Sie hat mir auf dem Klavier den Walzer vorgespielt. Das war sehr schön. Sie war ein armes Mädchen.« Frau Cronen schüttelte bedauernd den Kopf.
    »Warum?«
    »Sie war unglücklich. Vielleicht war sie unglücklich verliebt. Wie die jungen Dinger so sind. Es muß für die Eltern schrecklich sein, daß sie tot ist. Ich glaube, sie war ihr einziges Kind.«
    »Haben Sie die Noten der ›Wupper-Wellen« eigentlich? Ich meine -die gedruckte Version, die der Professor veröffentlicht hat?«
    Sie nickte. »Herr Satorius hat mir ein paar Exemplare geschickt. Er hat mich sogar zu der Feierstunde eingeladen, als die Entdeckung bekanntgemacht wurde.« Sie blickte mürrisch. »Natürlich bin ich nicht hingegangen.«
    »Und wie haben Sie Regina Mallberg kennengelernt?«
    »Sie hat mich eines Tages einfach besucht. Sie war sehr, sehr nett. Ich glaube, sie wollte mir einfach eine Freude machen und mir das Stück Vorspielen. Ich hatte

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