Die Tote vom Johannisberg
ich. Immerhin bringt sie einen zur jahrtausendealten, ursprünglichen Art des Essens zurück: das Essen mit den Fingern. Nach und nach verdrückte ich den Hamburger. Dann stellte ich fest, daß ich vergessen hatte, mir eine Cola zu bestellen. Jetzt war es zu spät, das nachzuholen.
Zwei Stunden dauerte es, bis sich vor der Villa etwas tat. Die Schnauze eines silbernen Wagens kam hervor, dann schob sich das Auto ganz aus dem Grundstück heraus und bog nach links ab - genau in meine Richtung. Es war ein Mercedes. Mallberg saß auf dem Beifahrersitz, am Steuer jemand, den ich vom Friedhof kannte: der Typ mit der verspiegelten Brille! Ich startete den Wagen, drehte und nahm die Verfolgung auf. Ich hatte eigentlich erwartet, daß Mallberg nach Flingern und dann auf die Autobahn fahren würde. Statt dessen ging es auf die Bergische Landstraße.
Ich versuchte, möglichst weit hinter ihm zu bleiben und ihn trotzdem nicht aus den Augen zu verlieren. Das war auf dieser Strecke nicht weiter schwierig. Zuerst ging es am Rheinischen Landeskrankenhaus vorbei, dann durch die Ortsteile Ludenberg und Hubbelrath. Eine ländliche Gegend: Äcker, leere Flächen, ab und zu ein paar Häuser an der Straße. Wir überquerten die A 3, dann verließen wir das Düsseldorfer Stadtgebiet und kamen nach Mettmann. Die Bergische Landstraße wurde zur Düsseldorfer Straße, dann zur Elberfelder Straße, und blieb doch immer die B 7, die uns schließlich über Land nach Wuppertal zurückbringen würde. Warum mied Mallberg die Autobahn?
Wir passierten eine Ausschilderung zum Neandertal, kamen durch den kleinen Ortsteil Hahnenfurth, wo ein Bach die Straße kreuzte: die Düssel. Danach änderte sich abrupt die Landschaft. Links und rechts der Straße gab es nur noch nackte, kahle Erde, dann tauchten Industrieanlagen auf. Ein Schild zeigte die Wülfrather Kalkwerke an. Der nächste Ortsteil, Dornap, gehörte schon zu Wuppertal. Er bestand - zumindest an der Hauptstraße - aus alten Häusern, die in der Dämmerung besonders trist aussahen. Sie waren anscheinend aus der Gründerzeit übriggeblieben, als man auf diesem Weg noch mit Pferdekutschen Ausflüge ins Neandertal und nach Düsseldorf unternahm.
Wir unterquerten eine Bahnlinie, dann drosselte der silberne Mercedes vor mir das Tempo und bog links in eine Straße ein. Ich fuhr an den Straßenrand und wartete, um ein paar Autos, die hinter mir gewesen waren, vorbeizulassen. Als die Strecke frei war, fuhr ich ganz langsam weiter und blickte nach links in die Seitenstraße, wohin der Mercedes verschwunden war. Der Wagen stand vor einem alten Haus, das sich kaum von den anderen Gebäuden unterschied. Bis auf eine Kleinigkeit: Eine verschlungene überdimensionale Neonröhre bildete in Schreibschrift das Wort »Chérie«. Sie leuchtete in grellem Rosa in die Dunkelheit.
Ich bezog wieder Position. Kurz vor der Seitenstraße war es zu schmal, dort konnte man nicht halten. So blieb mir nichts anderes übrig, als weiter vorne zu warten. Ich war gezwungen, die Einmündung über den Rückspiegel im Auge zu behalten. Zum Glück war die Stelle von einer Straßenlaterne beleuchtet.
Es dauerte nicht lange, da tauchte wieder die silberne Mercedesschnauze auf. Sie bogen links ab, überholten mich und setzten die Fahrt Richtung Wuppertal fort. Soweit ich erkennen konnte, saßen immer noch Mallberg und der Verspiegelte im Wagen. Es schienen jedoch ein paar Personen dazugekommen zu sein.
Wir fuhren auf die Varresbecker Straße, dann hinunter an die Wupper. Es ging parallel zur Schwebebahn, vorbei am Bayerwerk in Richtung Elberfeld. Wir befanden uns jetzt mitten in der Stadt. Der Verkehr wurde sehr dicht. Im Elberfelder Zentrum angekommen, änderte sich wieder die Richtung. Sie fuhren jetzt hinauf nach Ronsdorf.
Vor dem Wasserturm verlor ich den Mercedes plötzlich aus den Augen, weil sich ein Lkw vor mich klemmte. Mir blieb nicht anderes übrig, als zu improvisieren. Die Uhr neben dem Tacho zeigte Viertel vor sieben - wahrscheinlich wartete die ordentliche Frau Mallberg mit dem Abendessen auf ihren Mann. So bog ich von der Ronsdorfer Straße in die Staubenthaler Straße ein und kam kurz darauf zur Luhnsfelder Höhe. Als ich am Haus der Mallbergs vorbeikam, fuhr der silberne Mercedes gerade aus der Garageneinfahrt. Jetzt konnte ich deutlich sehen, daß mindestens drei Personen auf dem Rücksitz saßen.
Ich ließ den Wagen vorbei, wendete hektisch auf der engen Straße und folgte ihm weiter. Wir fuhren den Weg, den
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