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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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sogar jemanden gefunden, dem er die Sache in die Schuhe schieben konnte – seinen eigenen Schwiegersohn Julius Sorokine. Ihn hasste er, weil er Minnie nicht liebte, und vielleicht auch, weil ihm klar war, dass er ihm Elsa abspenstig gemacht hatte.
    Damit stand der Prinz bei Dunkeld in einer Schuld, die er nie und nimmer würde abtragen können. Selbst ein Höchstmaß an Unterstützung der Kap-Kairo-Bahn wäre verglichen mit dem, was Dunkeld für ihn getan hatte, nur wenig. Es war der glänzendste Akt von Opportunismus, den Pitt je erlebt hatte. So sehr er Dunkeld wegen seines moralischen Tiefstandes verachtete, er konnte ihm seine Bewunderung für seinen Einfallsreichtum und seine Nervenstärke nicht versagen.
    Hatte Minnie Sorokine geahnt, auf welche Weise sich ihr Vater das Verbrechen zunutze gemacht hatte?
    Sofern der Kronprinz tatsächlich schuldig war – was ließ sich unternehmen? Noch während sich Pitt diese Frage stellte, wusste er schon die Antwort. Man würde ihn unter dem Vorwand irgendeiner Krankheit unauffällig dem Blick der Öffentlichkeit entziehen. Vielleicht würde man sagen, er leide an Typhus, wie sein Vater. Man würde ihn ohne jedes Aufsehen und ohne öffentlichen Skandal verschwinden lassen, ganz, wie es bei Julius
Sorokine vorgesehen war. Irgendwann würde man von seinem tragischen Tod erfahren, und niemand würde je die vollständige Wahrheit wissen.
    Pitt dankte der Prinzessin und verließ auf zitternden Beinen den Raum. Sein Mund war ausgedörrt, seine Hände waren von Schweiß bedeckt und trotzdem kalt.

KAPITEL 11
    S imnel Marquand wirkte erschöpft, nahezu leblos. Er und Elsa standen im gelben Salon und sahen durch die hohen Fenster in den französischen Park hinaus, der in seiner kalten Schönheit vor ihnen lag.
    »Gott im Himmel«, sagte er bitter. »Ich halte den Mann für ganz und gar unfähig. Wenn er seinen Beruf auch nur ansatzweise beherrschte, wäre Minnie noch am Leben.« Der Schmerz in seiner Stimme war unüberhörbar.
    Elsa vermied es, ihn anzusehen, um nicht zu tief in seine persönliche Sphäre einzudringen. Trotzdem ärgerte es sie, dass er Pitt die Schuld zuwies. »Was hättest du denn an seiner Stelle getan?«, fragte sie. Obwohl auch in ihr ein Sturm der Gefühle tobte, klang ihre Stimme beinahe gleichmütig.
    »Jedenfalls hätte ich nicht meine Zeit damit vertan, den Prinzen und das gesamte Personal mit einem verdammten Teller verrückt zu machen, der zu Bruch gegangen sein soll!« Er wäre an seinen Worten fast erstickt. »So ein Hanswurst!«
    Genau genommen versuchte sie Julius in Schutz zu nehmen, doch sie sprach, als gehe es um Pitt. »Und was hätte er den Spuren deiner Ansicht nach entnehmen können? Nichts hat darauf hingedeutet, dass Julius die Frau getötet hat, und auch nichts darauf, warum das überhaupt jemand hätte tun sollen.«
    »Aber Minnie hatte es doch herausbekommen!«, rief er anklagend aus. »Sie hat aus den Hinweisen den richtigen Schluss gezogen.«

    »Was für Hinweise?« Jetzt wandte sie sich ihm zu. Sie war ebenso verzweifelt und verletzt wie er. Der einzige Unterschied war, dass Minnie, die er geliebt hatte, tot war, Julius hingegen noch lebte, zumindest einstweilen noch.
    Er gab keine Antwort. Um seine Augen lagen Schatten. Die Haut war krankhaft aufgequollen. Sie wusste, dass er Minnie geradezu verfallen gewesen war und er diese Sucht nach ihr nicht zu beherrschen vermocht hatte. Sie hatte miterlebt, wie Männer auf diese Weise der Spielsucht verfallen waren, sich selbst dafür hassten und trotzdem nicht aufhören konnten, bis sie allen Besitz verloren hatten.
    Würde auch sie alles verlieren, wenn man Julius fortbrachte und auf Lebenszeit einsperrte? War er wirklich der Mann, den sie zu kennen und lieben glaubte, oder ein Geschöpf, das nur in der Vorstellung ihres eigenen Verlangens existierte?
    Es war absurd, wie sie und Simnel in diesem herrlichen Raum beisammenstanden, einander in tiefster Seele völlig fremd, wie sie sich gegenseitig angriffen, obwohl sie den gleichen Schmerz litten.
    »Warum hast du denn nichts unternommen, wenn dir klar war, dass er Minnie umbringen würde?«, erkundigte sie sich. Es war eine grausame Frage, doch er verdiente es nicht anders, weil er so rasch und bereitwillig angenommen hatte, dass Julius der Täter sein musste. Immerhin war das sein Bruder! Er hätte zu ihm stehen müssen, ganz gleich, ob sie Rivalen waren oder nicht. Wie alles andere an Simnel, was gut war, hatte Minnie auch seine Urteilskraft

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