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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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alles auf dem Laufenden, was das Personal betrifft. Die Sache erscheint mir unerklärlich.« Er sagte das, als sei für ihn die Angelegenheit damit erledigt.
    »So sieht es aus«, stimmte Pitt zu. »Trotzdem dürfen wir als sicher annehmen, dass wir die richtige Erklärung noch nicht gefunden haben. Die Tatsachen lassen sich nicht hinwegdiskutieren. Drei Frauen sind als Gesellschafterinnen für den Abend gekommen, zwei haben den Palast verlassen, und die dritte wurde tot in
der Wäschekammer aufgefunden. Wo sich die Dienstboten zur fraglichen Zeit aufhielten, ist bekannt, und der einzige Mensch, der einige Augenblicke lang unbeobachtet über die Küche hinausgelangt ist, war der alte Fuhrmann, dem Edwards geholfen hat, Mr Dunkelds Kiste nach oben zu tragen. In den wenigen Minuten, die er allein war, hat er weder einen Fuß ins obere Stockwerk gesetzt, noch war an ihm der kleinste Blutspritzer zu sehen, als er den Palast verließ. Wenn Sie die Leiche der Frau gesehen hätten, wäre Ihnen klar, dass der Täter ganz anders ausgesehen haben muss.«
    Marquand saß unnatürlich starr da, sein Gesicht war bleich. Offensichtlich war es ihm unangenehm, dass Pitt so deutliche Worte fand. Er ballte seine schlanken, kräftigen Hände zu Fäusten, um zu verhindern, dass sie zitterten. »Ich habe sie nicht getötet und weiß auch nicht, wer es war«, sagte er.
    Pitt lächelte. »Ich hatte auch nicht gehofft, dass Sie imstande wären, mir das zu verraten, Mr Marquand. Aber Sie könnten mir den Verlauf des Abends beschreiben.«
    »Es war einfach eine …«, setzte Marquand an und unterbrach sich dann. »Nun, ich nehme an, Sie haben noch nie an so einer … Abendgesellschaft teilgenommen?«
    »Nein«, bestätigte Pitt trocken. Den sarkastischen Kommentar, der ihm auf der Zunge lag, schluckte er herunter. Er konnte es sich nicht leisten, sich die Herren mit derlei Äußerungen zu Feinden zu machen. »Vermutlich haben sich die Damen früh zurückgezogen, woraufhin die … Frauen hereingebracht wurden?«
    Marquands Lippen wurden schmal, und eine leichte Röte trat auf seine Wangen. »So, wie Sie das sagen, klingt das nicht besonders mondän«, sagte er kritisch.
    Pitt lehnte sich zurück. Er konnte Olga Marquands trauriges Gesicht nicht vergessen. Vermutlich war das töricht von ihm, denn sie dürfte an solche Situationen gewöhnt sein und gewusst haben, dass es zu den Aufgaben ihres Mannes gehörte, sich den Wünschen des Kronprinzen zu fügen.
    »Dann erklären Sie es mir mit Ihren Worten«, ermunterte er ihn.

    Marquand sah ihn mit unverhohlener Herablassung an. »Mann Gottes, sind Sie etwa neidisch? Ich kann Ihnen versichern, dass Sie bei einem Gesangsabend in Ihrer Stammkneipe genauso viel Spaß gehabt hätten, und noch mehr bei einem Besuch im Varieté. Solche Freuden sind Seiner Königlichen Hoheit aus verständlichen Gründen verwehrt. Zwar haben sich die Damen zurückgezogen, sie wären aber gern geblieben, wenn die gesellschaftlichen Regeln das zuließen. Wir haben getrunken, wahrscheinlich zu viel, ein paar Lieder gesungen, uns den einen oder anderen ziemlich zotigen Witz erzählt und zu laut darüber gelacht.«
    Pitt konnte es sich gut vorstellen. »Wollen Sie damit sagen, dass jeder von Ihnen allein ins Bett gegangen ist?«, fragte er und gab sich nicht die geringste Mühe, den Ton der Ungläubigkeit aus seiner Stimme herauszuhalten.
    »Natürlich nicht«, knurrte Marquand. »Der Prinz hat die Frau mitgenommen, die später tot aufgefunden wurde. Sarah oder Sally oder wie die hieß …«
    »Sadie«, half ihm Pitt aus.
    »Von mir aus auch Sadie. Ich habe Molly genommen und Dunkeld Bella. Die anderen habe ich danach nicht mehr gesehen. Sind Sie sicher, dass diese … Sadie nicht von einer ihrer Kolleginnen umgebracht worden ist? Weil sie aus Eifersucht oder irgendeinem anderen Grund Streit mit ihr hatte? Vielleicht ging es um Geld? Das wäre doch sehr wahrscheinlich.«
    Pitt beschloss, auf das Spiel einzugehen. »Ist die Sache Ihrer Ansicht nach so abgelaufen?«, fragte er.
    Marquand sah ihn herausfordernd an. »Warum nicht? Das ergibt doch eher einen Sinn als die Annahme, dass einer der Gäste Seiner Königlichen Hoheit sie umgebracht hat. Meinen Sie denn wirklich, einer von uns hat eine halbe Stunde lang den Verstand verloren, das arme Geschöpf in Stücke gehackt, sich dann schlafen gelegt und ist am nächsten Morgen – Herr aller seiner Sinne – aufgestanden, um zu frühstücken und sich wieder den Gesprächen über die

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