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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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lief, nichts nach außen drang. Würde man ihm das danken? Dankbarkeit, fand Gracie, war wichtig, fast wichtiger als alles andere.
    »Ich weiß es aber zu schätzen«, sagte sie in das verlegene Schweigen hinein. »Ich hätt ja nich’ gut allen sagen könn’, weshalb ich zu spät gekomm’ bin. Sagen Sie bitte auch nix. Ich komm mit Ada schon zurecht.«
    Er sah äußerst unbehaglich drein. »Haben Sie … haben Sie etwas in Erfahrung gebracht?«, erkundigte er sich mit stockender Stimme.
    »Es ist besser, wenn Se nix davon wissen, Sir«, gab sie zur Antwort.

    »Würde es Ihnen helfen, wenn Sie heute Abend bei Tisch mit bedienten?«, fragte er.
    »Se mein’ … bei ’n Gästen?«, fragte sie entsetzt.
    »Ja. Die Herrschaften essen erst sehr spät zu Abend. Bis dahin sind noch mindestens zwei Stunden. Würde es Ihnen etwas nützen, die Leute beobachten zu können?«
    »Ich …« Sie gab es ungern zu. »Ich weiß nich’, ob ich das kann, Sir«, druckste sie herum. »Nich’ … nich’ mit Silberbesteck, dem feinen Geschirr und all den Gläsern und so.«
    »Sie brauchen den Wein nicht zu servieren«, versicherte er ihr. Er schien sich etwas gefasst zu haben. »Sie tragen nur die Beilagen auf und räumen danach die Teller ab. Für die Suppe und den Wein sind Lakaien zuständig. Würde Ihnen das helfen?«
    »Wenn einer so total verrückt is’, sollte man glauben, dass man ihm das anseh’n kann, finden Se nich’ auch, Mr Tyndale?«, sagte sie nachdenklich. »Mrs Sorokine hat ’n ganzen Tag alle möglichen Leute ausgefragt. Wissen Se zufällig, ob jemand ’nen Porzellanteller zerbrochen hat, blau und weiß mit ’m bisschen Gold, Sir? Ich mein, einen von oben. Sie hat sich danach erkundigt, als ob das wichtig wär.«
    Er sah besorgt drein. »Ja, davon habe ich gehört. Mich hat sie ebenfalls gefragt. Ich habe sie davon abzubringen versucht, doch scheint mir das nicht gelungen zu sein. Wen hat sie noch gefragt?«
    »Walton. Hat das was mit dem Mord zu tun, Sir?«
    »Nein. Es hat mit einem unglückseligen Verhalten völlig anderer Art zu tun«, sagte er mit Nachdruck und sah sie an, als wolle er feststellen, ob sie ihm glaubte. »Es geht um Seine Königliche Hoheit. Lassen Sie die Sache einfach auf sich beruhen. Haben Sie verstanden, Miss Phipps? Ich meine das ganz ernst.«
    Sie war verblüfft und zugleich ein wenig ängstlich. Zum ersten Mal spürte sie, ein wie empfindliches Gleichgewicht bestand zwischen Mr Tyndales eigenen Vorstellungen und denen des Mannes und der Gesellschaftsschicht, denen er diente. Ob er selbst merkte, wie absurd die Situation war, wie schwierig es war, sie vor sich
selbst zu erklären und zu rechtfertigen? Stellte er sich infrage, wenn er spät in der Nacht allein in seinem Zimmer war? Schwankte er? Überlegte er, wie hoch der Preis für diese Gratwanderung war, die er täglich vollführte?
    Er blinzelte, als sie ihn unverwandt ansah. »Haben Sie mich verstanden, Miss Phipps?«, wiederholte er.
    »Nein, Sir. Aber ich tu, was Se sagen.«
    Die Tür flog auf, und Mrs Newsome stand erneut im Rahmen. Von zwei roten Flecken auf ihren Wangen abgesehen, war ihr Gesicht erschreckend weiß.
    »Gracie!«, donnerte sie.
    »Wenn Sie etwas zu sagen haben, Mrs Newsome, wenden Sie sich bitte an mich«, nahm ihr Tyndale den Wind aus den Segeln. »Gracie hat mir etwas berichtet, was ich der Polizei weitergeben werde. Je weniger Leute davon wissen, umso besser. Vielleicht hat die Sache nichts zu bedeuten, aber das wird sich zeigen. Behalten Sie auf jeden Fall für sich, was ich gesagt habe.« Diesmal gab es nicht die geringste Möglichkeit, seine Anweisung misszuverstehen. Zahlte er es ihr heim, dass sie ihm in der Leutestube vor allen anderen entgegengetreten war?
    »Gewiss«, sagte Mrs Newsome mit unglücklicher Stimme. Sie wandte sich von Tyndale ab und Gracie zu. »Gracie, in der Servierküche hat sich gestern nach der Gesellschaft ziemlich viel Abfall angesammelt. Bis jetz’ is’ keiner dazu gekommen, da aufzuräumen. Tun Se das, und wenn Se schon mal dabei sind, könn’ Se auch gleich den Boden schrubben.«
    »Ich wünsche, dass sie heute Abend bei der Aufwartung an der Tafel aushilft«, sagte Mr Tyndale.
    »Dafür kann se nich’ genug. Wenn Se das für richtig halten, soll’s mir natürlich recht sein. Aber ers’ ’n Boden in der Servierküche schrubben«, fügte sie hinzu. »Steh’n Se nich’ rum wie ’n Ölgötze! Geh’n Se schon und machen Se, was man Ihnen gesagt hat!«
     
    Die ihr

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