Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
Vom Netzwerk:
Aber nach dem, was du mir von ihr erzählt hast, ist sie doch ziemlich wütend. Ich kann mich an einige radikale Feministinnen erinnern, die bei öffentlichen Ver-sammlungen kurz davor waren, einen Mord zu begehen, sich dann allerdings damit begnügten, alle um sie herum zu beleidigen, sogar ihre besten Freundinnen.«
    »Das ist das reinste Klischee, Sylvia, und das weißt du genau.
    Wenn ich mich an die Klischeevorstellung von einem Mörder halten wollte, dann fiele mir eher Howard Falkland ein. Männer schreiben nur zu gern Bücher über mordende Frauen, das ist eine ihrer Lieb-107

    lingsphantasien. Damit rächen sie sich dafür, daß man ihnen ihre Vorrechte streitig machte: sexuell, politisch und sozial.«
    »Nimm es mir nicht übel, Kate, aber was Luellen betrifft, scheinst du deine gerühmte Objektivität zu verlieren. Wenn ich Luellen wäre, hätte ich wahrscheinlich fürchterliche Rachegelüste gegen-
    über jemand wie Janet, die alles erreicht hat, ohne je einen Gedanken an andere Frauen zu verschwenden.«
    Kate schwieg eine Weile. »Darauf kann ich dir nur sagen: Ich habe Luellen kennengelernt und du nicht. Und ich glaube einfach nicht, daß Frauen wie Luellen andere Frauen töten. Natürlich ist mir klar, daß das für die Polizei kein Argument ist. Aber wenn du erlaubst, dann möchte ich, nur so zum Spaß, den Howard-Falkland-Faden weiter ausspinnen.«
    »Meine liebe Kate, ich erlaube dir alles. Aber darum geht es nicht, sondern darum, daß du bestimmten Leuten gegenüber nicht die Augen verschließt. Also, spinn ruhig drauflos.«
    Kate war froh, daß sie zu einem leichteren Ton zurückgefunden hatten. »Ich dachte mir«, begann sie, »wir könnten hier bei dir eine kleine Dinnerparty geben. Für Andy Sladovski, seine Frau Lizzy, Penny Artwright und Howard Falkland. Und wir beide sitzen einfach dabei und lassen sie reden.«
    »Vielleicht haben sie keine Lust zu kommen?«
    »Wenn ich Andy zu verstehen gebe, daß mir viel daran liegt, kommen die beiden sofort. Nur Howard wird nicht wissen, was er hier soll, aber wahrscheinlich wird er trotzdem kommen, weil man eine Einladung von einem vollbestallten Professor eben nicht ablehnt
    – auch wenn es eine Professorin ist und sie nicht einmal zu Harvard gehört.«
    »Gut. Aber laß mich aus dem Spiel. Weißt du, was ich mich die ganze Zeit frage? Hatte Janet denn überhaupt keine Freunde? Irgend jemand muß es doch gegeben haben? Freunde hat doch schließlich jeder, oder nicht?«
    »Sie hatte die männlichen Kollegen an ihrer alten Universität und war mit einigen jungen Männern befreundet, die bei ihr Examen machten. Die hofierten sie und gingen mit ihr aus. Ich glaube, alle waren verblüfft, daß sie sich plötzlich auf mich besann, aber inzwischen bin ich mir ziemlich sicher, daß sie einfach sonst niemanden wußte. Vielleicht hatte sie noch ein paar Jugendfreundinnen, aber die hätten ihr Problem ja nicht verstanden.«
    »Liebe Kate«, sagte Sylvia plötzlich ungewohnt ernst und nach-108

    denklich. »Ich möchte dir mal was sagen: Was Freundschaft bedeutet oder das Gegenteil davon, die Einsamkeit, das werden wir am Ende nur an dem erkennen, was durch sie in Bewegung gesetzt wurde.
    Und ob die Frauen ihr Schicksal verändern, wird davon abhängen, welche Art Freundschaften sie in Zukunft eingehen – ob sie, wie es bei Virginia Woolf heißt, etwas für sich finden, das vielfältiger ist als bloße Vertraulichkeit und deshalb beständiger.«
    »Ich glaube, ich verstehe, was du meinst«, sagte Kate. »Auch Louise Bogan hat das sehr schön ausgedrückt: etwas zwischen Liebe und Freundschaft, das sich in Gesten ausdrückt, die keine Liebko-sungen sind.«
    Moons Verhaftung war den Zeitungen Cambridges eine Schlag-zeile wert, aber das schien die Studenten seiner Kurse nicht abzu-schrecken, im Gegenteil, er hatte noch mehr Zulauf. Jedenfalls hatte er seine Arbeit wieder aufgenommen und seinen Studenten vorgeschlagen, falls sie seine Festnahme interessant fänden, eine Geschichte daraus zu machen – zuerst eine von ihrem eigenen Blickwinkel aus, dann eine vom Blickwinkel des verhafteten Mannes.
    Eine gute Übung! Als er mit Kate Ende Februar über den Mount Auburn Friedhof ging, beteuerte er, daß er Janet nicht umgebracht habe, sie, Kate, aber unbedingt herausfinden müsse, wer es getan hatte. Er bezweifelte, daß die Polizei große Anstrengungen unternähme, gab aber zu, daß er, was das Thema Polizei betraf, nicht frei von Vorurteilen war.
    Auf Anweisung ihrer

Weitere Kostenlose Bücher