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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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großen Fenster mit Blick auf den Fluß lenkten von dem die Phantasie wenig beflügeln-den modernen Design der Wohnung ab und verliehen ihr eine Spur Geheimnis. Die Möbel waren bestes skandinavisches Hartholz, und Howards Abwehrhaltung wurde sichtlich schwächer, als er erkannte, daß hier Geld im Spiel war. Wahrscheinlich hätte man sehr tief in Howards Psyche herumwühlen müssen, bis man ihn dazu gebracht hätte, dergleichen einzugestehen. Aber Kate, die dieser Reaktion schon oft begegnet war, wußte Bescheid. Sie hatte immer nur einen Vorteil darin entdecken können, die eigene Umgebung so zu gestal-ten, daß sie andere Leute beeindruckte: sie wurden gefügig. Was der Grund war, warum ihre eigenen Räume so wenig beeindruckend aussahen. Und vor allem nicht in Cambridge lagen. Einen Moment lang dachte Kate sehnsüchtig an ihre New Yorker Wohnung, an Reed und ihr verwaistes Büro in der Universität. Wie bin ich nur hierhergekommen, dachte sie. Und dann hatte der Abend begonnen.
    Alle waren gleichzeitig eingetroffen, offensichtlich auf Howards Wunsch hin. Kate fragte sich, welche Vorstellung er sich wohl von ihr machte – nun, wahrscheinlich eine Mischung aus Clarkvilles Sicht und Andys und den üblichen Gerüchten. Kate lehrte lange genug an einer Universität, um zu wissen, daß man sich darin, wie 111

    Studenten einen beschrieben, kaum wiedererkannte.
    Glücklicherweise bekam man ihre Versionen selten zu Ohren.
    Während Kate so meditierte, kam ihr die Idee, genau dieses Thema sei ein guter Einstieg in den Abend.
    »Ich glaube, wir alle könnten es nicht ertragen, wenn wir wüßten, was die Studenten wirklich von uns halten«, begann sie, während sie die Drinks und »Schmatzhäppchen« – Sylvias Ausdruck – herum-reichte. »Bei all unserer Selbstsicherheit – gespielt oder echt –, der Schock würde uns umhauen, meint ihr nicht?«
    »Als ich einmal gerade auf dem Klo saß«, sagte Penny, »kamen ein paar Studentinnen in die Toilette und fingen an, über mich zu sprechen. Es war entsetzlich. Ich traute mich nicht hinaus, und sie wichen einfach nicht; stundenlang, so kam es mir jedenfalls vor, kämmten sie sich und plapperten und plapperten. An einem Punkt war ich fast entschlossen, doch hinauszugehen – zum Horror aller Beteiligten –, aber dann verzogen sie sich schließlich.«
    Eines spürte Kate sofort: Howard fühlte sich unbehaglich. Nicht nur, weil Penny die Damentoilette erwähnt hatte, sondern auch, weil ihr um Bestätigung suchender Blick zu den beiden anderen Frauen ihm klarmachte, daß er sich in einem Raum mit drei Frauen und nur zwei Männern befand, von denen einer auch noch er selbst war. Eine Proportion, die für Howard ebenso ungewohnt wie unerfreulich war.
    Eine überzählige Frau empfand schließlich jedermann als Peinlich-keit, zumindest in Howards Weltbild. Kate segnete Penny insgeheim für den brillanten Anfang.
    »Was du sagst, zeigt doch bloß, wie neu ihr Frauen noch in den hehren akademischen Gefilden seid«, sagte Andy. »Wir Männer vergewissern uns seit jeher, daß kein Student in der Nähe ist, ehe wir wagen, Wasser zu lassen. Das Dumme mit den meisten Studentinnen ist, daß sie im Grunde immer noch nicht glauben können, daß es Professorinnen gibt, geschweige denn, daß sie pinkeln.«
    »Immer noch besser als Clarkville«, sagte Penny, »der nicht glauben will, daß Professorinnen denken.«
    »Penny«, sagte Kate, »meinst du nicht, daß du Clarkville unrecht tust? Schließlich strömen fünfhundert Studenten zu seinen Vorlesungen über die Viktorianer. Das finde ich beeindruckend.«
    »Seine Vorlesungen sind in Ordnung, keine Frage«, sagte Penny.
    »Und er ist wirklich ein guter Wissenschaftler. Er liest alle Sprachen, die George Eliot las, was keine Kleinigkeit ist. Clarkville versteht es wunderbar, tiefer und tiefer in eine Materie einzutauchen. Andere 112

    Meinungen gelten zu lassen, versteht er dagegen nicht. Außerdem hat er keine Vorstellung davon, wie George Eliot sich gefühlt haben mag.«
    »Glaubst du, es gibt überhaupt einen Mann, der sich das vorstellen kann?« fragte Lizzy.
    »O ja. Einigen ist es gelungen. Denk an Joseph Barry, sein Buch über George Sand. Clarkville kann und will sich nicht in eine Frau hineinversetzen. Ich glaube, im Grunde findet er es jammerschade, daß George Eliot eine Frau war, wo sie doch einen so männlichen Geist hatte.«
    »Sagt, was ihr wollt«, fiel Howard ein. »Ich bin lange genug Tutor bei Clarkville. Ich kenne ihn

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