Die Tote von Harvard
kriegen, denn genau das hat die Natur für sie vorgesehen.«
»Aber du hast nichts dagegen, daß sie Studiengebühren bezahlen, um sich deine Kurse anzuhören«, sagte Penny.
»Natürlich nicht. Es schadet gar nichts, wenn sie sich ein bißchen bilden. Schließlich müssen wir Männer ja mit ihnen zusammenleben.
Natürlich, all diese Emanzen wollen lieber ein Leben ohne Männer.
Sollen sie! Vor denen hütet sich sowieso jeder Mann mit ein bißchen Verstand!«
Kate sah überrascht aus, und das war sie auch. Es wunderte sie, daß Howard so schnell die Fassung verlor. Daß er so leicht wütend wurde, war zweifellos interessant. Lizzy empfand das offenbar genauso, denn sie begann, auf Howard einzureden. Kate fand es faszi-nierend, wie Howard Lizzy mit einer Bereitschaft zuhörte, die er weder ihr noch Penny gegenüber gezeigt hätte. Es lag an Lizzys unbedrohlicher Art, ihrer Sanftheit. Sie war Krankenschwester und keine Akademikerin und fiel dadurch für Howard offenbar sofort in die Kategorie: fraulich/nichtintellektuell.
»Für Akademiker sind härtere Zeiten angebrochen, Howard«, sagte Lizzy. »Und weder ich noch die anderen machen dir einen Vorwurf daraus, daß du sauer bist, weil du jetzt nicht mehr nur die Konkurrenz anderer Männer zu fürchten hast, sondern auch die von Frauen. Man ist heute überall stärker als früher daran interessiert, Frauen einzustellen, das weiß ich.«
»Dann weißt du mehr als ich«, sagte Penny. »Harvard ist alles andere als daran interessiert. Und an tausend anderen Stellen erzählen sie einem, sie hätten schon ihre Frau, bei ihnen sei die Frauenquote mehr als erfüllt. Das Ganze ist doch nur eine Ausrede gegen-
über den Männern, denen man einen Job nicht geben will. Denen sagt man dann eben, man wäre leider gezwungen gewesen, eine Frau einzustellen.«
»Ich weiß, Penny«, sagte Lizzy. »Trotzdem, sogar Andy und ich 115
ärgern uns manchmal, daß bei den begehrten Jobs die Konkurrenz viel größer ist als früher. Der gesetzliche Schutz von Minderheiten bringt die weißen Arbeiter immer wieder gegen Schwarze auf. Howard spricht nur offen aus, was viele Leute denken.«
»Das stimmt«, sagte Kate besänftigend, jedenfalls hoffte sie, so zu klingen. Aber entweder war man von Natur aus besänftigend, wie Lizzy, oder man war es nicht. Daß Lizzy andererseits nicht bissig, schlagfertig und provozierend ist, hat ihr natürlich noch niemand zum Vorwurf gemacht. Man will die Frauen eben immer noch als die gute, nährende Mutter, dachte sie und sagte zu Howard: »Ist ja verständlich, wenn man jemand aus dem Feld schlagen will, aber ihm dann gleich etwas in den Drink zu tun, um ihn außer Gefecht zu setzen, das geht doch ein bißchen zu weit, egal, wie hart die Zeiten sind. Außerdem war Janet ja gar keine wirkliche Konkurrenz für Sie, ganz im Gegenteil. Mit ihr hatte Harvard ja schon die Quotenfrau mit Professur; es bestand also keine Gefahr, daß noch mehr, gar jüngere Frauen eingestellt würden.«
»Wissen Sie«, sagte Howard. »Sie sehen das Ganze völlig falsch.
Ich gebe ja zu, daß ich mich nicht gerade nobel verhalten habe. Aber mir lag nicht daran, Janet aus dem Feld zu schlagen. Natürlich habe ich die Situation ein wenig ausgenutzt. Ich hätte ihr keinen stärkeren Drink geben sollen als sie wollte, und ich hätte auch nicht sagen sollen, sie sei eine von Luellens ›Schwestern‹. Das weiß ich selbst, aber Sie tun ja gerade so, als hätte ich ihr sonstwas in den Drink getan.«
»Genau das haben wir auch gedacht«, sagte Andy.
»Was zum Teufel soll das heißen?« schrie Howard. »Das habt ihr auch gedacht! Was zum Teufel willst du damit sagen?« Howard war aufgesprungen und stand vor Andy, so, als wolle er ihn am Kragen packen und hochziehen. Konnte Howard so wütend werden, daß er jemandem Zyankali verabreichte, einen Mord plante? Kate hielt es für möglich. Aber vielleicht, mahnte sie sich, will ich es nur für möglich halten.
»Howard«, sagte sie. »Bitte, setzen Sie sich. Ich möchte Sie etwas fragen. So ist’s gut, schön sitzen bleiben. Nur nicht aufregen!
Beantworten Sie mir nur eine Frage: Haben Sie an jenem Abend im Warren-Haus, der mit dem Badewannen-Zwischenfall endete, Janet etwas ins Glas getan?«
»Ja, das habe ich, nämlich Wodka. Na, und? Ich hab damit ja schließlich keinen Anonymen Alkoholiker ins Unglück gestürzt. Ich 116
meine, sie trank kein Ginger Ale oder Mineralwasser. Sie trank Campari, und ich hab ihr halt noch einen
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