Die Tote von Harvard
denen fehlt, ist, daß sie mal…«
»Sagen Sie es nicht«, schnitt Kate ihm das Wort ab. »Ich warne Sie. Ich bin dafür, den Abend mit einer nicht allzu schrillen Note ausklingen zu lassen, falls das möglich sein sollte.«
»Und was dir fehlt…«, sagte Penny.
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»Penny!« bellte Kate, ganz die empörte Tante.
»Nun«, sagte Howard. »Das war alles. Ich rief Luellen vom Warren-Haus an und sagte, eine ihrer Schwestern stecke in der Patsche.«
»Daß sie gleich kam, um einer Freundin zu helfen, hat dich nicht weiter beeindruckt?« fragte Andy.
»Daß sie wie das kleine dumme Mädchen im Märchen dem Bö-
sewicht in die Falle ging? Was soll mich daran beeindrucken?« sagte Howard.
»Gibt es irgend jemand auf der Welt, dem du zu Hilfe kommen würdest?« sagte Andy. »Ich frage aus reiner Neugier.«
»Clarkville«, sagte Lizzy. »Das weiß doch jeder. Wenn also jemand Howard eins auswischen wollte, brauchte er nur anzurufen und sagen, Clarkville stecke in der Klemme.«
»Da gibt es aber einen gewissen Unterschied«, betonte Penny.
»Den wir, schlage ich vor, nicht näher erforschen«, sagte Kate.
»Was glauben Sie, Andy, welche Chancen haben die Red Sox in der nächsten Saison?«
»In Harvard«, sagte Andy, »interessiert man sich nur für das diesjährige Spiel gegen Yale oder das vom nächsten Jahr. Wer schert sich hier um die Red Sox? Also wirklich, Kate!«
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Zehn
Doch hatte es die schale Note des Behelfsmäßigen, wie es so oft in modernen Wohnungen anklingt. So leicht, wie man dazu gekommen war, könnte man sich auch wieder davon trennen.
E. M. Forster ›Wiedersehen in Howards End‹
Der Dekan, in dessen Haus Janet gewohnt hatte, wartete ungeduldig darauf, daß ihre Sachen fortgeschafft würden, damit er das Appartement weitervermieten konnte. Aber Janets Bruder ließ den Dekan warten, und das fast zwei Wochen lang, wie Sylvia Kate erzählte. Kate hatte gemischte Gefühle wegen dieser Verzögerung.
Einerseits amüsierte es sie, daß Janets Bruder sich nicht um die Wünsche von Harvard scherte und offenbar auch niemandem aus dieser ehrwürdigen Institution so weit traute, Janets Dinge zu packen und zu verschicken. Dieser Bruder trat stellvertretend für seine und seines Bruders Kinder auf, die Janet zu ihren Erben gemacht hatte.
Wie es aussah, wollte er also höchstpersönlich dafür sorgen, daß sie auch alles bekamen, was ihnen zustand. Und das ist einer der Grün-de, faßte Sylvia zusammen, warum die Polizei sich weigert, irgend jemand in Janets Wohnung zu lassen.
Das Warten auf Janets Bruder, das sich bis Ende Februar hinzog, war John Cunningham nur recht. Wie er Kate sagte, gab das den Detektiven, die er auf die Sache angesetzt hatte, Zeit, möglichst viele Beweismittel aufzuspüren. Kate dagegen empfand jene Ungeduld, die typisch ist für Situationen, in denen alles nach einer Lösung schreit, irgend etwas sie aber verhindert. Sie wußte, daß solche Ungeduld bei einem Mordfall sehr gefährlich war. Sie verleitete zu voreiligen Schlüssen und, nur allzu oft, zur Beschuldigung falscher Personen. Unter solchen Umständen war Moon verhaftet worden und, dank Cunningham, zwar wieder auf freiem Fuß – jedoch keineswegs frei von Verdacht. Mit Erleichterung stellte Kate fest, daß seine glückliche Natur ihn davor bewahrte, von Ängsten und Be-fürchtungen zermürbt zu werden.
Bei Luellen lagen die Dinge nicht so einfach. Nachdem die Polizei Moon nicht mehr als Hauptverdächtigen im Visier hatte, richtete sie ihr Augenmerk nun hoffnungsvoll auf Luellen. Und Kate, der vor Luellens Wut und Bitterkeit graute, nahm es trotzdem auf sich, mehrmals in das Café zu gehen und Luellen, wenn schon keinen 120
Trost, dann wenigstens ein willkommenes Ventil für ihre Wut zu bieten. Der Polizei gegenüber hatte sich Kate für Luellen eingesetzt, was wohl der Hauptgrund dafür war, daß nicht auch Luellen voreilig verhaftet wurde. Daß sie ihr weiterhin die bittersten Vorwürfe entge-genschleuderte, nahm Kate ihr nicht übel. Denn Luellen, das wurde ihr immer klarer, konnte in ihr nur die Frau sehen, die ein Leben lang unverschämtes Glück gehabt hatte.
Trotzdem, Luellens bittere Attacken gegen Kate und Harvard waren schwer zu ertragen, und ihre Neigung, beide in einen Topf zu werfen, genauso. »Mag ja sein, daß man in Harvard keinen besonde-ren Respekt vor Ihnen hat, weil Sie eine Frau sind«, polterte sie oft los, »das kann Sie doch nicht wundern, noch dazu, wo sogar Sie ab und zu das Wort
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