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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Feminismus in den Mund nehmen. Aber man verschafft Ihnen einen Lehrauftrag am Institut. Sie brauchen bloß mit den Fingern zu schnippen, und schon bekommen Sie ein wunderbares Appartement. Ihre Familie hat Harvard wahrscheinlich Millionen gespendet, und das ist bestimmt sehr hilfreich« – voller Unbehagen fragte sich Kate, ob das bloße Vermutung oder eine Tatsache war -
    »woher wollen Sie wissen, wie es ist, wieder und wieder verhört zu werden, ohne daß einem ein einziges Wort geglaubt wird? Wenn die einem das Gefühl geben, man wäre ’ne Laus! Am wütendsten macht mich, daß diese Bullen, die nur so viel an ihre Familien denken, wie sie unbedingt müssen, die wahrscheinlich überall rumbumsen und ihre Kinder höchstens fünfundzwanzig Minuten am Tag zu Gesicht kriegen – daß die herkommen und mir Vorträge über intaktes Fami-lienleben halten! Als ob sie alle Heilige wären! Und mich behandeln sie wie den letzten Abschaum!«
    »Ich besorge Ihnen einen Anwalt«, wiederholte Kate bei solchen Gelegenheiten wohl zum zwanzigsten Mal und machte sich auf die unvermeidliche Abfuhr gefaßt.
    »Oh, die große mildtätige Dame! In der Rolle gefallen Sie sich wohl. Wenn Sie’s genau wissen wollen: Ich weiß nicht mal, wo ich das Geld für den Anwalt im Sorgerechtsprozeß hernehmen soll. Und ich werde mich hüten, noch einen zu nehmen. Die wollen einen doch bloß abkassieren. Wozu brauche ich überhaupt einen Anwalt? Ich habe diese schreckliche Frau nicht umgebracht. Ich hab noch nie jemand etwas getan, und ich hab keinen Anwalt nötig, der das für mich sagt. Die Polizei soll mich bloß endlich in Ruhe lassen!«
    Während solcher Diskussionen saß Joan Theresa beklommen dabei und versuchte, Luellen damit zu trösten, daß die Polizei sich ja 121

    offenbar damit begnüge, sie zu schikanieren und sie, im Gegensatz zu Moon, nicht verhaftet habe. Joan schien unbehaglich dabei zu sein, aber sie tat ihr Bestes, Luellen zu beschwichtigen. Im ›Vielleicht nächstes Mal‹ machte sich inzwischen eine Atmosphäre ange-strengten Optimismus breit, die dem hoffnungsvollen Namen des Cafés auf verquere Weise gerecht wurde. Nur Jocasta, die – Hunde waren im Café nicht erlaubt – Kate jedesmal vor der Tür begrüßte, schien von allem unberührt.
    Schließlich verkündete Sylvia, deren Geschick, ihre Informanten auf Trab zu halten, allmählich beängstigend wurde, der Bruder sei eingetroffen, packe in Janets Appartement ihre Sachen ein und sei bereit, Kate zu empfangen, damit sie sich dort umsehen könne – aber nur, das hatte er deutlich gemacht, unter seinem gestrengen Blick.
    In den ersten Märztagen öffnete Janets Bruder also Kate die Tür zu Janets Wohnung.
    Er war ein echter Sportsfreund. Das war Kate klar, sowie er ihr seine große Hand zur Begrüßung entgegenstreckte. Es war die Sorte Hand, die Kate insgeheim als Pranke bezeichnete – ein haariges, schweres Etwas, das man kaum mit den Fingern umschließen konnte. »Kommen Sie herein, Kate, kommen Sie nur herein. Ich heiße Bill. Ich darf Sie doch Kate nennen? Auch wenn Sie eine so bedeutende Professorin sind? Schließlich war meine Schwester ja auch eine sehr bedeutende Professorin, obwohl ich nie begriffen habe, was sie davon hatte. Sie sehen doch auch nicht schlecht aus. Sie und Janet – ihr hättet es beide nicht nötig gehabt, euch an diesen öden Universitäten rumzudrücken.«
    »Ja, bitte, nennen Sie mich Kate«, sagte Kate. Sich an die neue Begeisterung für Vornamen zu gewöhnen, hatte sie sich ja fest vor-genommen. Aber davon abgesehen, begriff sie sofort, daß Bill zu der Kategorie Männer gehörte, die erwarteten, daß man mit ihnen tändelte und herumschäkerte, kurz, auf eine Art umging, die Kate verab-scheute. Sie hatte schon vorausgesehen, daß sich die Pranke bald auf ihre Schulter legen würde. Und genau da lag sie jetzt. Wie ein und derselbe Bauch diesen Knaben und Janet hatte produzieren können, war einfach ein Wunder, eins, dem Kate allerdings schon öfter begegnet war. Nun, in gewisser Weise erklärte Bill sogar, warum Janet so war, wie sie war.
    »Ich weiß, daß Sie gern einen Blick auf die Sachen unserer armen Janet werfen wollen, ehe ich sie einpacke«, sagte Bill. »Irgendein Mann aus Boston – oder Harvard, ich weiß nicht mehr, jedenfalls 122

    tat er sehr wichtig – hat es mir angekündigt. Ich sehe zwar nicht ganz ein, wieso ein Fremder in Janets Sachen herumschnüffeln soll, ehe ihre Familie sie gesehen hat, aber wir dürfen wohl

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