Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi
zurück, der ihr sagte, dass er an der Beantwortung der Frage ehrlich interessiert war.
„Ich kenne Sie zwar kaum, schätze Sie aber als Menschen ein, der über alles gern die Kontrolle behält. Eine Frau, die in der Küche kontrolliert wird, sehen Sie aber schneller von hinten, als es Ihnen lieb ist.“
„Vielleicht haben Sie Recht. Ich werde bei der nächsten Bewerberin etwas zurückhaltender sein“, lenkte Daniels ein. „Wenn es überhaupt noch jemanden im Umkreis von fünfzig Meilen gibt, der bei mir arbeiten möchte. Sie hätten nicht zufällig …?“
„Gott behüte!“ Lachend wehrte Mabel ab. „Wo haben Sie nun den versprochenen Sherry?“
Sie tranken jeder ein Glas im Stehen, da sämtliche Sitzmöbel mit anderen Dingen belegt waren, dann wandte Mabel sich zur Tür.
„Ich sollte jetzt wirklich …“
„Ja, natürlich, ich hole den Wagen.“
Als Mabel nach ihrer Handtasche griff, die sie auf den Tisch gestellt hatte, rutschte ihr diese aus den Fingern und, da sie den Reißverschluss nicht geschlossen hatte, fiel der Inhalt auf den Teppich.
„Wie ungeschickt von mir!“ Mabel schoss die Röte in die Wangen. „Verzeihen Sie bitte.“
„Das ist das Alter, da wird man tattrig“, sagte er und die Bemerkung passte wieder ganz zu dem Menschen, den Mabel kennengelernt hatte. Victor Daniels machte auch keine Anstalten, Mabel beim Aufheben zu helfen. Nachdem sie ihre Tasche wieder eingeräumt hatte, hielt sie die Broschüre über das Fest in Lower Barton in der Hand. Einer spontanen Eingebung folgend reichte sie sie dem Tierarzt und fragte: „Wissen Sie etwas über diese Veranstaltung?“
Victor Daniels runzelte überrascht die Stirn.
„Ich sehe, Sie haben Interesse an unserer Geschichte, Miss Mabel.“ Während des Sherrys war er dazu übergegangen, Mabel mit ihrem Vornamen anzusprechen.
Mabel, die durch den Vorfall mit der Katze Mary Lerrick beinahe vergessen hatte, lächelte.
„In der Stadt habe ich ein Plakat gesehen und würde gerne mehr über diesen Festumzug erfahren. Im Touristenbüro habe ich dann dieses Heftchen erstanden.“
Daniels deutete auf den Preis.
„Ist viel zu teuer, verkauft sich aber gut. Sie müssen wissen, dieses Fest ist das größte Ereignis in unserem verschlafenen Nest.“ Er sah, wie Mabel verstohlen auf die Uhr blickte. „Wenn Sie möchten, erzähle ich Ihnen gerne etwas über die wenig rühmliche Vergangenheit von Lower Barton. Wie wäre es mit morgen? Zum Lunch vielleicht?“
„Hier bei Ihnen?“ Mabel konnte sich einen zweifelnden Unterton nicht verkneifen, und Daniels zuckte mit den Schultern.
„Lieber nicht, oder wollen Sie kochen? Nein, wir könnten uns im Lion’s Heart treffen. Der Wirt macht ganz ausgezeichnete Krabbensandwichs, und das Bier ist auch nicht schlecht. Tinners aus St Austell“, fügte er hinzu und leckte sich mit der Zungenspitze über die Unterlippe.
Mabel verzichtete auf den Hinweis, ob es als Arzt – gleichgültig ob Humanmediziner oder Veterinär – wohl angebracht war, bereits zum Lunch Alkohol trinken. Sie wollte die freundliche Stimmung, die sich in der letzten Stunde zwischen ihnen aufgebaut hatte, nicht trüben, daher nickte sie und antworte: „Gerne, ich werde da sein. Sagen wir gegen ein Uhr?“
6
Beim Abendessen war Mabel ungewöhnlich still, was Abigail jedoch nicht aufzufallen schien. Unbeschwert plauderte sie über ihre Geburtstagsfeier und erzählte von den Gästen und den Geschenken, die sie erhalten hatte.
„Stell dir vor, Mabel, Lady Windham, hat mir einen Gutschein für ein Kosmetikinstitut in Looe geschenkt. Sie meint wohl, ich hätte das nötig.“ Abigail kicherte, und Mabel bemühte sich um ein unverbindliches Lächeln. „Daran merkt man, dass man alt wird – wenn die Freunde dir plötzlich Gutscheine für Kosmetik, Fußpflege oder einen Korb voller Vitaminkapseln schenken.“
„Nun, ich denke, du wirst auf deine Hautpflege ohnehin achten“, konnte Mabel sich nicht verkneifen zu sagen. „So wenig Falten wie du hast, liebe Abigail.“
„Das sind die Gene.“ Abigail lächelte verschämt. „Ich gebe jedoch zu, dass ich diesem Kosmetikinstitut durchaus hin und wieder einen Besuch abstatte.“
Kaum hatte Mabel ihr Dessert verspeist, gab sie vor, müde zu sein, und zog sich in ihr Zimmer zurück. Sie wollte allein sein, um über die Ereignisse des Nachmittags nachdenken. Die Broschüre über die Festtage in Lower Barton lag auf der Frisierkommode und Mabel betrachtete lange das Bild von Mary
Weitere Kostenlose Bücher