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Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi

Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi

Titel: Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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Lerrick. Obwohl sie die Tote nur wenige Minuten gesehen hatte, zudem noch im morgendlichen Dämmerlicht, hatte sie keinen Zweifel – die Frau sah der Toten aus der Bibliothek verblüffend ähnlich. Fast wie eine Doppelgängerin oder gar wie ein eineiiger Zwilling. Mabel glaubte nicht an Zufälle. Die Leiche, die niemand außer ihr – und dem Mörder natürlich – gesehen hatte, hatte eine direkte Verbindung zu demTheaterstück. In dem dünnen Heftchen war die Geschichte von Lower Barton nur grob umrissen, und sie war gespannt, was Victor Daniels zu berichten hatte.
    „Was einst als Gedenken an eine Schuld, die die Stadt gegenüber einem unschuldigen Mädchen auf sich geladen hat, gedacht war, ist inzwischen zu einem Rummelplatz mit Schießbuden, Karussells und Würstchenständen verkommen“, erzählte der Tierarzt, nachdem sie sich beide jeweils eine Tagessuppe und ein Krabbensandwich bestellt hatten. Der Pub war nur zur Hälfte gefüllt, und sie saßen an einem Ecktisch, wo niemand ihr Gespräch belauschen konnte.
    „In der Broschüre steht, dass Mary Lerrick im Bürgerkrieg als Verräterin hingerichtet wurde“, sagte Mabel. „Und dass das ein fataler Irrtum war. Seit einigen Jahren werden nun die Festtage ihr zu Ehren veranstaltet.“
    Victor Daniels nickte. „Das Theaterstück ist das einzig Sehenswerte bei diesem Spektakel. Obwohl es Laienschauspieler sind, machen sie ihre Sache sehr gut.“
    „Sie kennen das Stück?“ Mabel lehnte sich gespannt vor.
    „Selbstverständlich, in den letzten Jahren habe ich mir die Aufführung regelmäßig angesehen.“ Victor wurde ein wenig verlegen. „Ich muss zugegeben, dass ich früher, als ich noch jünger war, selbst einmal bei einer Aufführung mitgewirkt habe. Sogar in der Rolle des Prinzen, dem späteren König Charles dem Zweiten.“
    Der sonst eher kauzige Tierarzt war heute in einer für ihn unüblichen gesprächigen Stimmung, und Mabel hoffte, Antworten auf einige ihrer Fragen zu erhalten. Natürlich hätte sie auch Abigail nach den geschichtlichen Ereignissen in Lower Barton fragen können, etwas in ihr sträubte sichaber dagegen. Abigail würde wissen wollen, warum Mabel ein solches Interesse zeigte, und dann müsste sie – wollte sie nicht lügen – wohl oder übel wieder die Tote in der Bibliothek erwähnen. Solange Mabel aber keine konkreten Beweise hatte, wollte sie von der verschwundenen Leiche niemandem gegenüber sprechen, denn glauben würde ihr ohnehin keiner. Sie wusste nicht genau, warum Abigail von Anfang an ihre Aussage als Hirngespinst abtat, vierzig Jahre waren jedoch eine lange Zeit, und nicht nur Mabel, sondern auch ihre Cousine hatte sich verändert. Sie konnte Abigails Verhalten nicht mehr einschätzen, daher war es besser, die Leiche ihr gegenüber vorerst nicht mehr zu erwähnen.
    „Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Victor, wenn Sie mir die Geschichte erzählen würden. Was ist damals mit dieser Mary Lerrick geschehen?“
    „Aus diesem Grund haben wir uns getroffen, nicht wahr?“, sagte Victor, und der Wirt servierte die Suppe. Während Victor es sich schmecken ließ und offensichtlich keine Antwort erwartete, registrierte Mabel kaum, was sie aß, denn ihre Nerven waren angespannt. Endlich legte Victor den Löffel zur Seite und begann von der Geschichte zu erzählen, über die in Lower Barton jahrhundertelang geschwiegen worden war.
    „Im Jahr 1646 tobte bereits seit Jahren der Bürgerkrieg zwischen den Truppen König Charles’ und den Parlamentariern unter der Führung von Oliver Cromwell. Der König wurde immer mehr in die Mangel genommen, und er verlangte von seinem Sohn, dem Prinzen von Wales und späteren König Charles dem Zweiten, er möge England verlassen und sich zu seiner Mutter ins Exil nach Frankreich begeben. Der junge Charles folgte nur widerwillig dem Befehl des Vaters und gerietauf seiner Reise gen Westen, wo er ein Schiff nach Frankreich besteigen sollte, in einen Hinterhalt. Es gelang ihm die Flucht, er wurde jedoch durch eine Gewehrkugel am Arm verwundet und von seinen Gefolgsleuten getrennt. Allein und blutend schleppte er sich in die Nähe Lower Bartons, wo er von königstreuen Bauern gefunden und in den Keller eines Hauses gebracht wurde. Früher, als die Mündung des River Pols noch nicht verschlammt war, war der Ort nämlich ein florierendes Hafenstädtchen, und so gut wie jedes Haus verfügte über Gewölbekeller, die als Lagerräume dienten. Der Besitzer des Hauses hieß John Lerrick, er war sehr arm und

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