Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi
gekommen bist. Hat dein Vater dir wieder erlaubt, bei dem Stück mitzuwirken?“
Rachel zögerte, dann schüttelte sie den Kopf.
„Er ist im Pub“, sagte sie so leise, dass es nur Mabel hören konnte. „Darum muss ich schnell nach Hause, bevor er heimkommt und merkt, dass ich weg war. Ich hoffe nur, die Jungs und Angie halten ihre Klappe. Ich habe jedem fünf Pfund für ihr Schweigen gegeben, das bedeutet, es wird am Wochenende zum Essen mal wieder kein Fleisch geben.“
Sie verstummte, denn Michael Hampton drängte sich an ihnen vorbei. Er hielt Jennifers Hand und wirkte sehr aufgekratzt.
„Wir gehen noch was trinken“, sagte er zu Mabel. „Es ist Freitag, und die meisten der Gruppe treffen sich im Admiral’s Head, dem Pub in der Fore Street. Möchtest du nicht mitkommen, Mabel?“ Es war das erste Mal, dass Michael sie direkt ansprach, sie schüttelte jedoch den Kopf.
„Vielleicht das nächste Mal, aber danke.“
Michael zuckte mit den Schultern, flüsterte Jennifer etwas ins Ohr, woraufhin diese kicherte und Rachel mit ei-nem verächtlichen Blick musterte, dann verließen sie Arm in Arm den Saal.
„Du gehst nie mit ihnen aus, nicht wahr?“, fragte Mabel Rachel.
„Ausgehen? Ich weiß gar nicht, wie man das Wort überhaupt buchstabiert“, entgegnete Rachel. „Ich muss mich jetzt wirklich beeilen, Miss Clarence. Danke für das Waschen der Kostüme, das war sehr nett von Ihnen.“
Am liebsten hätte Mabel das Mädchen in die Arme genommen und getröstet, spürte jedoch, Rachel würde eine solche Nähe nicht wollen. Sie tat Mabel unendlich leid, daher bot sie Rachel an, sie nach Hause zu fahren.
„Mein Wagen steht direkt vor dem Haus.“
„Danke, das ist sehr nett.“
Mabel freute sich, dass Rachel ihr Angebot annahm. Nach fünf Minuten hielten sie vor dem verwahrlosten Backsteinhaus.
„Danke.“ Rachel sah Mabel an, und diese befürchtete, das Mädchen würde gleich zu weinen anfangen. „Sie sind sehr nett, Miss Clarence.“
„Ach, sag doch Mabel zu mir. Ich könnte zwar deine Großmutter sein, aber ich fühle mich so alt, wenn du mich mit dem Nachnamen ansprichst. Außerdem duzen sich in der Gruppe alle.“
Rachels Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, und es war das erste Mal war, dass Mabel sie lächeln sah.
„Also gut … Mabel.“
„Du hast nichts von Sarah gehört?“, fragte Mabel direkt.
Rachel zuckte zusammen. „Nein, warum fragen Sie … warum fragst du?“
Mabel beschloss, nicht um den heißen Brei herumzureden.
„Ich habe deinen Brief an Sarah gesehen.“
Über Rachels Gesicht fiel ein Schatten. „Sie hat sich nicht gemeldet, und ihr Handy ist immer noch ausgeschaltet.“ Plötzlich reckte sie ihr Kinn nach vorn und sagte trotzig: „Sarah wird sich melden und zurückkommen. Sie lässt mich nicht allein, nicht nachdem …“ Als hätte sie etwas Verbotenes gesagt, schlug sie sich die Hand vor den Mund und ihre Wangen färbten sich rot. „Ich muss jetzt wirklich gehen.“
Rachel öffnete sie Autotür und sprang aus dem Wagen. Mabel sah ihr nach, als sie auf das Haus zulief, und plötzlich schoss ein Gedanke durch ihren Kopf, über den sie laut aufstöhnte. Natürlich! Warum hatte sie das nicht früher erkannt? Mabel erinnerte sich, was Pat über ihre Mitbewohnerin gesagt hatte. Plötzlich ergab vieles einen Sinn, und Mabel verstand, warum Rachel wegen Sarahs Verschwinden derart durch den Wind war, wie die jungen Leute es heutzutage auszudrücken pflegten. Mabel hatte bereits ihr Handy in der Hand, um Victor anzurufen und zu fragen, ob sie vorbeikommen könne, um ihn über ihre neuen Erkenntnisse zu informieren, doch sie ließ das Telefon wieder sinken. Etwas in ihr wehrte sich dagegen, mit Victor zu sprechen. Es war besser, ihrem delikaten Gedanken zuerst allein nachzugehen. Vielleicht irrte sie sich, dann würde sie schön dumm dastehen. Außerdem wusste Mabel nicht, ob sie dem Tierarzt noch vertrauen konnte.
15
Zu Mabels Überraschung saß Abigail bereits beim Frühstück, als sie am Samstagmorgen herunterkam, obwohl es noch nicht einmal acht Uhr war, und ihre Cousine sonst länger schlief. Abigails Teint war fahl, ihre Augen dunkel umschattet und sie aß nichts. Sie hatte nur eine Tasse mit schwarzem Kaffee vor sich stehen.
„Es ist furchtbar“, sagte sie zu Mabel anstatt eines Morgengrußes. „Er ist doch noch so jung, und erst vor ein paar Tagen haben wir über ihn gesprochen.“
Aus der Thermoskanne schenkt sich Mabel einen Tee ein und setzte sich
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