Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi
würde zu diesem hartherzigen, betrunkenen Mann nicht durchdringen können.
„Rachel wollte mit Sarah fortgehen“, vermutete sie ins Blaue hinein und seine Augenbrauen schossen nach oben. „Stimmt’s, Mr Wilmington? Das konnten Sie nicht zulassen. Wer sollte Ihnen dann den Haushalt führen und Sie mit Alkohol versorgen, wenn Rachel Sie verlassen hätte?“
Schneller als es Mabel seiner massigen Gestalt zugetraut hätte, schoss Wilmington hoch. Sein Stuhl flog polternd um, und mit der flachen Hand schlug er auf den Tisch, sodass dieFlasche umkippte und ein Rest Bier sich auf das schmuddelige Tischtuch ergoss.
„Raus hier!“ Sein Blick richtete sich drohend auf Mabel. „In meinem eigenen Haus muss ich mir eine solche Unverschämtheit nicht gefallen lassen.“
Unmerklich wich Mabel einen Schritt zurück, bis sie den Türpfosten in ihrem Rücken spürte, dennoch bemühte sie sich, keine Angst zu zeigen, als sie sagte: „Wann haben Sie herausgefunden, dass Rachel Sarah Miller liebt und ihre Liebe erwidert wurde? Rachel wollte mit Sarah fortgehen, um ein neues Leben zu beginnen. Das mussten Sie unter allen Umständen verhindern, nicht wahr? Haben Sie deswegen Sarah Miller ermordet?“
Wilmington war zwar betrunken, aber nicht derart besoffen, um den Inhalt von Mabels Worten nicht zu verstehen. Wütend schrie er: „Sind Sie völlig verrückt? Wo hat man Sie rausgelassen? Aus der Irrenanstalt?“
Obwohl Mabel Angst hatte, wurde sie plötzlich ganz ruhig. Die Lösung des Mordes an Sarah Miller lag greifbar vor ihr. Pat Cooks hatte gesagt, dass Sarah nicht auf Männer stand, sondern Frauen bevorzugte. Und Rachel war ein Typ, der bisher sicher keine guten Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht gemacht hatte. Eine Liebesbeziehung der beiden jungen Frauen lag damit auf der Hand, und Rachels Vater hatte davon erfahren.
„Geben Sie es zu, Mr Wilmington.“ Mabel sprach im gleichen Tonfall, mit dem sie früher besorgte Angehörige von Schwerstkranken beruhigt hatte. „Sie wollten Ihre Tochter nicht verlieren, gleichgültig aus welchen Gründen. Vielleicht hatten Sie gar nicht beabsichtigt, Sarah zu töten. Vielleicht wollten Sie nur mit ihr sprechen, und dann sind die Nervenmit Ihnen durchgegangen. Warum aber auf Higher Barton? Warum waren Sie und Sarah in diesem Haus?“
Für einen Moment schwankte Denzil Wilmington, hatte sich aber gleich wieder im Griff.
„Verschwinden Sie!“ Seine Stimme wurde gefährlich leise. „Meine Tochter ist nicht so eine …“
Mabel griff in ihre Jackentasche und sie zog ihr Handy hervor.
„Ich werde jetzt die Polizei rufen, Mr Wilmington. Wenn Sie ein Geständnis ablegen, wird sich das auf Ihr Urteil positiv auswirken.“
Sie wusste zwar nicht, ob das stimmte, hatte es aber schon oft in Fernsehkrimis gesehen und hoffte, Wilmington dadurch zur Räson zu bringen.
Mit einem Schritt war er bei ihr und schlug das Handy aus ihrer Hand. Das Telefon flog quer durch die Küche, schlitterte über den Boden und knallte gegen die Wand. Dann riss Wilmington einen schmalen, hohen Schrank auf und Mabel keuchte entsetzt, als er plötzlich ein Gewehr in den Händen hielt. Ein unheilvolles Klicken sagte ihr, dass er die Waffe entsichert hatte, und er zielte mit dem Lauf direkt auf Mabels Gesicht.
„Raus hier!“ Schritt für Schritt wich Mabel zurück, Wilmington folgte ihr langsam, in seinen geröteten Augen stand pure Mordlust. „Keiner wird solche Lügen über meine Tochter verbreiten. Hören Sie, keiner!“
Von Mabels vorheriger Sicherheit war nichts mehr zu bemerken. Sie zitterte wie Espenlaub am ganzen Körper, ihre Kehle war ausgedörrt, und das Blut rauschte in ihren Ohren. Wie hatte sie nur so dumm sein können, Sarahs Mörder selbst stellen zu wollen, anstatt die Polizei zu benachrichtigen?
„Vater!“ Rachels Schrei ertönte hinter Mabel. „Vater, was machst du da? Leg sofort das Gewehr weg!“
Für einen Augenblick blickte Wilmington zu seiner Tochter, die im Flur stand und vor Entsetzen die Einkaufstüten fallen ließ. Der Karton mit den Eiern zerbrach, und Toastbrot, Butter, Wurst und Äpfel vermischten sich mit der gelben, schmierigen Masse.
„Geh weg“, herrschte Wilmington Rachel an. „Diese Frau verbreitet Lügen über dich. Gemeine, schmutzige Lügen. Sie sagt, du hättest was mit … einem Weibsstück.“
Aus den Augenwinkeln sah Mabel, wie Rachel erst erbleichte, dann feuerrot wurde. Sie hatte also Recht gehabt – sie und Sarah Miller waren ein Paar
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