Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi
bin überzeugt, Warden wird Ihnen auch in diesem Fall kein Wort glauben.“
Verärgert drehte er sich um und stapfte ohne ein weiteres Wort davon. Mabel presste eine Hand auf ihr pochendes Herz und lehnte sich gegen die Hauswand. Ihre Beine zitterten wie Espenlaub. Victor hatte nun nicht mehr geleugnet, Michael zu kennen, allerdings keine Erklärung gegeben, warum er mit dem jungen Mann in Streit geraten war. Und warum ersie, Mabel, angelogen hatte. Alles in Mabel weigerte sich zu glauben, Victor könnte Michaels Motorrad manipuliert oder ihn sonst wie zu Fall gebracht haben, dennoch blieb eine große Enttäuschung. Sie hatte den einzigen Verbündeten verloren, den sie in Lower Barton zu finden geglaubt hatte.
Deprimiert betrat Mabel wenig später das Foyer des Hotels. Zu ihrem grenzenlosen Erstaunen sah sie Rachel Wilmington an einem der Tische der Lobby sitzen. Vor ihr stand eine Cola, von der sie aber nicht getrunken hatte, denn das Glas war voll. Als Rachel Mabel sah, stand sie auf und kam auf Mabel zu.
„Ich wollte dir dein Handy bringen und mich für meinen Vater entschuldigen“, kam sie gleich zur Sache. „Es tut mir so leid, dass er auf dich geschossen hat.“
Erst Victor und jetzt Rachel … Mabel verlangte es nach etwas Stärkerem als einer Limonade, darum bestellte sie an der kleinen Bar einen Cognac. Mit dem Glas in der Hand gingen sie und Rachel zum Tisch zurück und setzten sich.
„Du warst heute nicht bei der Probe“, sagte Mabel, ohne auf Rachels Worte einzugehen. „Tim wird den Prinzen spielen.“
„Tim?“ Der Anflug eines Lächelns huschte über Rachels Lippen. „Der ist doch viel zu klein.“
„Ich werde Michaels Kostüm ändern müssen.“ Mabel griff nach Rachels Hand und drückte sie. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Und ich fühle mich schuldig, weil …“
Rachel schüttelte den Kopf, und ihre Stimme klang bitter, als sie Mabel unterbrach: „Dazu besteht kein Grund. Mein Vater wurde gestern verhaftet, und da wir kein Geld für eine Kaution haben, wird er wohl bis zur Verhandlung im Gefängnisbleiben. Sie haben ihn nach Exeter gebracht, dieses Mal geht es ihm wirklich an den Kragen.“
„Das tut mir leid“, sagte Mabel und meinte ihre Worte ehrlich. „Es muss schwer für dich sein.“
„Es ist schrecklich!“, rief Rachel so laut, dass sich zwei andere Gäste interessiert zu ihr umdrehten. Sofort senkte sie ihre Stimme. „Ich weiß gar nicht, was ich meinen Geschwistern sagen soll, obwohl wir jetzt nicht mehr täglich vor seinen Wutausbrüchen zittern müssen. So gesehen ist seine Verhaftung eine Erleichterung, trotzdem … Versteh mich nicht falsch, Mabel, ich liebe meinen Vater. Er ist trotz allem kein schlechter Mensch. Der Tod meiner Mutter, und seit er arbeitslos ist … das alles hat ihn irgendwie aus der Bahn geworfen. Ich bin sicher, er wollte dich nicht verletzten, wollte nur, dass du gehst.“
„Das glaube ich jetzt auch“, erwiderte Mabel aufrichtig. „Meine Reaktion, gleich zur Polizei zu fahren, war vielleicht etwas übereilt, ich hatte aber wirklich Angst und war überzeugt, dass er ...“ Mabel zögerte, wusste nicht, ob sie fortfahren sollte, Rachel nahm ihr das Wort aus dem Mund.
„Du hast ihm vorgeworfen, Sarah getötet zu haben.“ Mit einem traurigen Blick sah sie Mabel an. „Sarah ist nicht tot, sie musste nur für ein Weilchen weg und wird bald wiederkommen.“
Über die Hoffnung, die in Rachels Worten mitschwang, zerriss es Mabel beinahe das Herz. Sie wollte Rachel nicht von der Toten erzählen. Noch nicht … nicht, bis sie nicht konkrete Beweise hatte, darum sagte sie leise: „Nun, es hätte durchaus sein können, dass dein Vater auf Sarah nicht gut zu sprechen war. Du wolltest doch mit ihr fortgehen, nicht wahr?“
Rachel zuckte zusammen, nervös knetete sie ihre Finger.
„Woher weißt du das?“
„Ich kann eins und eins zusammenzählen.“ Eindringlich sah Mabel dem Mädchen in die Augen. „Rachel, ich weiß, dass du Sarah liebst. Du brauchst darüber nicht erschrocken zu sein, denn das ist heutzutage nichts Verwerfliches. Es tut mir nur leid, dass ich es deinem Vater gesagt habe, aber ich dachte wirklich, er hat …“
„Sarah umgebracht?“ Rachels Stimme klang schrill, mit einem Anflug von Hysterie darin. Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass sich Haarsträhnen aus ihrem ohnehin unordentlich gebundenen Pferdeschwanz lösten. „Selbst wenn Sarah nicht mehr leben sollte, was Unsinn ist, dann wäre mein Vater zu so
Weitere Kostenlose Bücher