Die Tote von San Miguel
San Miguel gekommen?«
»So ist es nicht gewesen.« Fran beugte sich vor, drückte ihre Zigarette aus und lehnte sich wieder zurück, auf einmal völlig entspannt. »Ich wette, Sie sind in San Miguel geboren. Habe ich recht, Inspector?«
Diaz zuckte die Achseln.
»Und wahrscheinlich haben Sie auch nicht sonderlich viel für all die freiwilligen Exilanten übrig, die hierherziehen, Häuser kaufen und Geschäfte eröffnen. Aber ich habe nur einmal im Leben Glück gehabt. Ich hatte eine halbwegs reiche kinderlose Tante, die mich sehr gern gehabt hat. Das Erbe, das sie mir hinterlassen hat, war so groß, dass ich vor vier Jahren nach San Miguel ziehen, dieses Haus kaufen und das daraus machen konnte, was Sie jetzt sehen. Hier leben zu dürfen ist ein Traum für mich. Davor war mein Leben eine ziemlich beschissene Katastrophe.«
Mit einem Mal wurde Diaz ungeduldig. Er hatte keine Lust, seine Zeit mit einer einsamen fünfunddreißigjährigen Amerikanerin zu vergeuden, die ein viel zu gutes Leben im alten Mexiko führte und sich selbst schrecklich leidtat, weil sie herausgefunden hatte, dass ihr Hausfreund sie betrog.Wie spannend es auch hätte sein können, dies war nicht der richtige Zeitpunkt, die erotischen Möglichkeiten eines ansonsten bedeutungslosen Samstags durchzuspielen. Nicht, solange eine junge Frau tot und ungerächt in der Leichenhalle lag.
Er stand auf und ging zum anderen Ende des Zimmers, um sich die dort aufgestellten Keramikskulpturen näher anzusehen. »Stammen die von Ihnen?«, fragte er.
»Ja«, bestätigte sie.
Zu seiner Überraschung gefiel ihm, was er sah, die geschwungenen, ineinander übergehenden Flächen, die Vermischung der Farben von Himmel und Erde. Er drehte sich zu Fran um. »Ihre Arbeit ist sehr beeindruckend. Gefühlvoll.«
»Danke.«
Ihm wurde bewusst, dass er dasselbe über sie dachte, seit sie von der Haustür zurückgetreten war, um ihn hereinzulassen. Er zündete sich eine weitere Zigarette an, um sich wieder auf den eigentlichen Grund seines Besuchs zu konzentrieren.
»Erzählen Sie mir von Gregori Gregorowitsch.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Er ist vor etwa sieben Monaten wie eine streunende Katze auf meiner Türschwelle aufgetaucht. Jeans, ein zerrissenes Ramones-T-Shirt und ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen. Irgendjemand hatte ihm gesagt, dass ich einen Raum hätte, den er vielleicht als Atelier benutzen könnte. Ich wusste sofort, wer er war. Er war eine Zeitlang ziemlich bekannt in L. A., hat dann aber Ärger bekommen, nachdem er eine vierzehnjährige Schauspielerin gevögelt hatte. Ich habe ihm den Schuppen im Hinterhof gezeigt, und er hat ihm gefallen. Er ist noch am selben Nachmittag dort eingezogen. Hat auf einer alten Matratze darin geschlafen. Zwei Monate später ist er dann in meinSchlafzimmer gezogen. Er war sehr charmant. Und falls Sie das wissen müssen, er ist ein verdammt guter Liebhaber. Was er natürlich seinem Ruf schuldig ist. Ich hätte es besser wissen müssen.«
Diaz hob in einer fragenden Geste die Hände. »Aber Sie haben vorhin gesagt, er würde nicht mehr hier wohnen.«
»Der andere Teil seines Rufs besagt, dass er praktisch mit allem schläft, was irgendwie weiblich ist und ihm über den Weg läuft, einschließlich einer reifen Papaya. An diesem Donnerstagabend, als ich ihn dabei erwischt habe, wie er sich mit einem nackten jungen Ding im Bett gewälzt hat, hatte ich die Schnauze voll.«
Wir drehen uns im Kreis , dachte Diaz. Obwohl die Vorstellung eines zügellosen minderjährigen Flittchens durchaus seinen Reiz hatte. »Wissen Sie, wo er jetzt steckt?«
»Warum sollte ich? Wahrscheinlich treibt er es mit der kleinen puta , die er letzte Nacht verführt hat. Oder schläft in Brian Dillingers Badehäuschen. Brian gehört die Galerie, in der Gregori seine Bilder ausstellt, falls Sie das nicht ohnehin schon wussten. Oder, wer weiß, vielleicht hat er auch die Stadt verlassen. Obwohl ich das bezweifle. Schließlich hat er sein großes Comeback als Künstler mit Hilfe von Brian und seinen Verbindungen geplant.«
»Ich würde mir gern sein Atelier ansehen, wenn das nicht zu viel Mühe macht.«
»Meinetwegen.«
Als Fran aufstand, ertappte sich Diaz dabei, wie er direkt auf ihre Brustwarzen starrte, die sich steil aufgerichtet hatten und sich deutlich unter dem weichen Stoff ihres Kleides abzeichneten. Er wandte eilig den Blick ab, der einen Moment lang an einem schwarzen Haarbüschel hängenblieb, das wie die Beine einer
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