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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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bis sie uns Frauen zum Medizinstudium zulassen.“
    Vera hatte die Küche kaum verlassen, als Gustav heimkam. Er setzte sich zu Dorothea und erzählte ihr aufgeregt, was er gerade in der Polizeidirektion in Erfahrung gebracht hatte.
    „Stell dir vor, Max von Gutbrunnen hat unter der Folter der Staatspolizei alle drei Morde gestanden.“
    „Die Polizei foltert Verdächtige?“
    „Ja, ich kann es selbst kaum glauben. Rudi hat erzählt, dass die Geheimen den Kopf des Reitlehrers so lange unter Wasser gehalten haben, bis er fast ersoffen wäre, und ihm dann sogar einen Fingernagel gezogen haben. Seine Schreie waren angeblich im ganzen Haus zu hören.“
    Dorothea erblasste.
    „Max von Gutbrunnen konnte, laut Rudi, aber nicht erklären, warum und wie er die anderen Frauen umgebracht hat. Bei der Polizei herrscht dennoch Jubelstimmung. – Hättest du gedacht, dass dieser Reitlehrer der Frauenmörder von Schönbrunn ist?“
    „Ich bin mir dessen nicht so sicher“, antwortete Dorothea. „Vielleicht hat er die Baronin den Tigern zum Fraß vorgeworfen, aber warum sollte er die anderen Damen umgebracht haben? Hat er sie überhaupt gekannt?“
    „Genau das versucht Rudi gerade herauszufinden. Vielleicht haben sie ja ebenfalls Reitstunden bei ihm genommen?“
    „Auch die deutsche Prinzessin …?“
    „Das wage ich zu bezweifeln.“
    „Geständnisse, die unter der Folter zustande kommen, kann man sowieso nicht ernst nehmen. Das hast du selbst einmal gesagt.“
    „Stimmt. Aber die Schlagzeilen der morgigen Zeitungen werden trotzdem lauten: ‚Jack the Ripper von Schönbrunn gefasst‘, oder so ähnlich.“
    „Ich hoffe, dass wenigstens diese Zeitung weiterhin seriöse Artikel bringt.“ Dorothea deutete auf die Neue Freie Presse, die aufgeschlagen vor ihr lag. „Sie berichten auf der heutigen Titelseite, dass die Zahl der Obdachlosen in der Reichshaupt- und Residenzstadt schon wieder um Zehntausende gestiegen ist.“
    „Ja, das merkt man. Nicht nur in den Praterauen stolpert man bei jedem Schritt über die armen Leut, auch in den neuen Kanälen und auf den unzähligen Baustellen hausen die. Selbst bei uns unten in den Stallungen treiben sich einige herum. Ich werde seit geraumer Zeit von einer alten Lumpensammlerin be­lästigt. Sie scheint es auf mich abgesehen zu haben, weil ich ihr bei unserer ersten Begegnung nichts gegeben habe. Ständig kündigt sie mir weitere gewaltsame Tode schöner Frauen an.“
    „Und sie scheint Recht zu haben. Aber wenn die Polizei nun den Mörder überführt hat, ist ja endlich wieder alles in Ordnung in der Stadt“, sagte Dorothea.
    Ihr spöttischer Ton machte Gustav stutzig.
    „Stört es dich, wenn ich eine rauche?“
    „Nein. Gib mir bitte auch eine.“
    Gustav holte eine neue Schachtel Zigarillos und den französischen Cognac aus seinem Zimmer, schenkte Dorothea und sich ein und hielt ihr ein Zigarillo hin.
    Im Dunst des blauen Rauchs und benebelt vom Cognac, denn es war nicht bei einem Glas geblieben, kamen sie auf Vera und ihren neuen Verehrer zu sprechen.
    Dorothea deutete an, dass ihre Patentante beileibe keine alte Jungfrau sei, sondern in jungen Jahren bestimmt den einen oder anderen Liebhaber gehabt hatte.
    „Sie hat eher eine Vorliebe für jüngere Männer, glaube ich“, sagte Dorothea. „Ich habe schon seit längerem den Eindruck, dass ihr dein Freund Rudi gefällt.“
    „Du bist verrückt! Rudi ist zehn Jahre jünger als sie.“
    „Genau genommen zwölf Jahre. Na und? Die meisten Männer in deinen Kreisen haben Frauen, die mindestens zwanzig Jahre jünger sind als sie.“
    „Das ist etwas völlig anderes, Dorothea.“
    „Du bist ein richtiger Spießbürger, lieber Gustav. Ich nehme an, du findest allein die Vorstellung von den beiden als Paar lächerlich.“
    „Du sagst es.“
    „Wie kann man nur so borniert sein? Du bist doch ein intelligenter Mensch …“
    „Danke für das Kompliment.“
    „Ach hör auf. Warum müssen wir immer streiten? Können wir denn nie einer Meinung sein?“
    „Anscheinend nicht.“
    „Ich habe keine Lust, mit dir zu streiten. Gute Nacht!“

25
    Ein Bote brachte Gustav am nächsten Morgen eine Nachricht von Rudi. Überrascht, da Rudi ihm so gut wie nie schriftliche Nachrichten zukommen ließ, öffnete Gustav das Kuvert. Komm sofort in mein Büro. Es ist wichtig. Mit zitternden Händen zerknüllte er den Zettel.
    Womöglich ging es ihm nun an den Kragen. Wahrscheinlich hatte der Reitlehrer den Einbruch in seine Wohnung nun doch

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