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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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und muskulös, habe etwas derbe, aber sehr männliche Züge und hellgraue Augen, und seine Brauen seien in der Mitte fast zusammengewachsen, was ihm einen finsteren Gesichtsausdruck verleihen würde. Marie Luise hatte ihr neulich von einem Traum erzählt, in dem ihr ein großer, starker Mann mit stechenden hellgrauen Augen zu nahe getreten war. Sie ist eine alte Jungfer, die sich nach einem Mann sehnt, dachte Dorothea, teilte diesen Gedanken aber niemandem mit, auch nicht Gustav. Sie fürchtete, er würde sie womöglich ebenfalls für eine alte Jungfer halten.
    Die Comtesse entschuldigte sich umständlich für ihre Verspätung, als sie auf Dorotheas Tisch zusteuerte. Sie schien große Angst zu haben, ihr Wohlwollen zu verlieren.
    „Bärtige sollten in der Öffentlichkeit lieber keine Torten mit Schlag essen“, sagte Dorothea, der die vielen Entschuldigungen unangenehm waren, und deutete auf einen vornehm gekleideten Herrn, der sich vergeblich bemühte, mit der Serviette die Reste des Schlagobers aus seinem dunklen Vollbart zu entfernen. Es machte die ganze Misere nur noch schlimmer.
    „Sieht er nicht aus wie Sankt Nikolaus?“, fragte Marie Luise.
    Die jungen Damen begannen zu kichern wie kleine Mädchen.
    Als Marie Luise die köstliche Sachertorte kaum anrührte, sprach Dorothea, die ihren Indianer mit Schlag genüsslich verzehrte, ihre Freundin auf das bekanntlich sehr merkwürdige Essverhalten der verstorbenen Kaiserin an.
    „Wenn ich richtig informiert bin, liebte Ihre Majestät die Süßigkeiten vom Demel. Waren nicht Marzipan­äpfel und Nußkrapferl ihre Lieblingsnaschereien?“
    „Sie hat auch Crème de Jour gerngehabt“, sagte Marie Luise leise und nahm noch einen Bissen von der verführerisch aussehenden Torte. „Wenn sie mal gesündigt hatte, hat sie sich wieder wochenlang nur von Orangen oder von Milch ernährt. Sie hat vor allem Fleisch gemieden. Da sie unter Eisenmangel gelitten hat, musste sie oft eine dünne Fleischbrühe trinken, meistens aus ausgepresstem Kalbfleisch, vor der ihr schrecklich ekelte.“
    „Sie war doch sicher unerhört blass und dünn, oder?“
    „Sie hat täglich mehrmals ihr Gewicht kontrolliert. Ihre Taille hatte einen Umfang von 51 Zentimetern! 45 Kilo Körpergewicht bei einer Größe von 1,72. Das werde ich niemals schaffen. Als sie einmal 50 Kilo auf die Waage brachte, war sie todunglücklich. Mein Gewicht schwankt zwischen 55 und 60 Kilo, und ich bin genauso groß wie Ihre Majestät. Ich muss unbedingt abnehmen, ich sehe schrecklich aus.“
    Dorothea begann herzhaft zu lachen.
    „Entschuldige, Marie Luise, ich bin 1,65 groß und wiege 60 Kilo, und ich fühle mich sehr wohl, habe noch nie daran gedacht, eine Diät zu machen. In deinen Augen bin ich also zu dick?“
    „Nein, nein, keineswegs“, beteuerte die Comtesse beschämt. „Du siehst fantastisch aus.“
    „Ich denke, die Kaiserin wollte ewig ein Mädchen bleiben, nicht erwachsen werden“, sagte Dorothea.
    Marie Luise starrte sie erschrocken an.
    „Ja, das glaube ich. Sie wollte weder Ehefrau noch Mutter sein. Und ich kann sie sogar verstehen. Leider hat sie sich mit diesen Hungerkuren und ihrem täglichen harten Trainingsprogramm nur selbst geschadet. Sie war ja, trotz ihrer körperlichen Ertüchtigungen, eine eher schwächliche Person, soviel ich weiß.“
    „Das stimmt nicht. Ihre Majestät war unheimlich zäh, hat ihre Hofdamen mit ihren ausgedehnten Fußmärschen zur Verzweiflung gebracht. Auch mich, um ehrlich zu sein.“
    Dorothea sah ein, dass es keinen Sinn hatte, mit Marie Luise über die Egozentrik und die Eigenheiten der Kaiserin zu diskutieren. Die Arme hatte die Mo­narchin nun einmal zu ihrem Idol erkoren und würde sich nicht so leicht von ihrer kindlichen Verehrung abbringen lassen. Dorothea wechselte daher das Thema und fragte Marie Luise bei einem zweiten Kaffee, wann sie gedenke, ihren Verlobten Erzherzog Karl Konstantin zu heiraten.
    „Ich weiß nicht. Der Stanzi ist zwar eine gute Partie, aber ich liebe ihn nicht.“
    „Verzeih bitte meine indiskrete Frage: Liebst du einen anderen?“
    Es dauerte eine Weile, bis die Comtesse antwortete.
    „Deine Frage bringt mich in Verlegenheit. Ich hoffe, ich kann dir vertrauen. Du bist in den letzten Tagen eine wahre Freundin für mich geworden. Ich werde dir etwas mitteilen, über das ich noch mit keinem gesprochen habe: Ich war mit fünfzehn in meinen Reitlehrer verliebt. Leider hat er meine Zuneigung ausgenützt ... Mein Vater und Stanzi

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