Die Tote von Schoenbrunn
ist und die beiden ausgestiegen sind. Er kann also den ersten Mord nicht begangen haben.“
„Außer, er ist schon früher aus Italien angereist, wieder zurückgefahren und mit der Sängerin erneut nach Wien gekommen.“
„Das haben wir nachgeprüft. Er hat für den Tag, an dem die Gräfin von Reichenbach ermordet wurde, ein hieb- und stichfestes Alibi. Sowohl diese italienische Sängerin als auch dutzende andere Leute haben bestätigt, dass er an diesem Tag bei einer Matinee im Teatro La Fenice in Venedig war. Die Sängerin steckte übrigens nicht mit ihm unter einer Decke. Im Gegenteil, sie war eines seiner ersten Opfer. Er hat sie ausgenommen wie eine Weihnachtsgans.“
Nach zwei Achterln Wein und ein paar Pogatschen verabschiedete sich Gustav von seinem Freund und schlenderte nachdenklich über den Kohlmarkt. Bei der k.k. Hofzuckerbäckerei Demel angelangt, überlegte er kurz, ein paar Törtchen für die Damen daheim mitzunehmen. Ein Blick in sein Portemonnaie veranlasste ihn, weniger großzügig zu sein.
Der Wein hatte ihn hungrig gemacht. Er kaufte einem Maronibrater ein paar heiße Kastanien ab. Maroni seien gut für die Leber, pflegte Josefa oft zu behaupten.
All der Staub und Dreck und Lärm auf der Baustelle der Neuen Burg ließen ihn schneller ausschreiten. In der Wohnung angekommen, traf er keine der Damen an. Entweder hielten sie sich in ihren Zimmern auf, oder sie waren ausgegangen.
Gelangweilt sah er die Post durch. Zwischen den Rechnungen entdeckte er eine Nachricht des Erzherzogs. Karl Konstantin lud ihn schriftlich für den Abend zu einem Souper im Casino ein. Gustav sollte ihn abholen und bei ihm zu Hause einen Aperitif trinken. Er freute sich sehr über die unerwartete Einladung in das Stadtpalais des Erzherzogs. Was sollte er anziehen? Er schämte sich seiner abgetragenen Kleider. Am liebsten hätte er seine alte Uniform herausgeholt. Darin sah er einfach am besten aus, das hatte selbst Vera einmal gesagt. Da er schon vor Jahren seinen Dienst bei der Armee quittiert hatte, konnte er unmöglich in Uniform erscheinen. Er musste sich mit seinem alten Frack begnügen, den Josefa ihm rasch aufbügelte.
Der Erzherzog war Besitzer eines kleinen Stadtpalais am Fleischmarkt. Ein Renaissancejuwel, das er von seinem Vater geerbt hatte.
Der wachsame Hausmeister spähte durchs schmale Fenster seiner Loge und kam unter mehrfachen Verbeugungen heraus, um das Portal aufzuschließen, nachdem Edi ihm mitgeteilt hatte, dass Seine Kaiserliche Hoheit Erzherzog Karl Konstantin von Österreich seinen Herrn erwartete.
Der Fiaker zwängte sich durch die enge Toreinfahrt und blieb mit einem Ruck stehen. Gustav wäre fast vom Sitz gerutscht.
„Idiot“, herrschte er Edi an.
„Entschuldigen S’, gnä’ Herr, da herinn ist es so eng. Das hab ich a bisserl unterschätzt.“
Der kleine Innenhof war mit Kopfsteinen gepflastert und von hohen efeuberankten Mauern umgeben.
Über den Arkadengängen erhoben sich drei Geschoße mit großen mehrsprossigen Bogenfenstern.
Gustav stieg aus der Kutsche und schickte Edi wieder zurück. Er hoffte, dieser Trottel würde beim Umdrehen besser Acht geben und die Pferde nicht sämtliche Ziersträucher im Hof niedertrampeln lassen. Allerdings fragte er sich, wie Karl Konstantin mit seinem Sechsspänner hier überhaupt hereinkam, geschweige denn umdrehte. Wahrscheinlich hatte er ihn woanders untergestellt.
Ein livrierter Diener empfing Gustav am Eingang des Palais.
Angenehm erregt folgte er ihm hinauf in die Beletage.
Das Stiegenhaus war mit Fackeln beleuchtet, in der Empfangshalle, in die ihn der Diener führte, brannte elektrisches Licht.
Die modernen Lampen passen zu dem alten Gewölbe wie die Faust aufs Auge, dachte Gustav, dennoch war er schwer beeindruckt, dass Karl Konstantin sein Palais elektrifizieren hatte lassen. Die wertvollen Gobelins an den Wänden waren extra angestrahlt.
Die Tür am anderen Ende der mit kostbaren Gemälden und Skulpturen geschmückten kleinen Halle ging auf und Karl Konstantin kam auf ihn zu. Er trug seine eng anliegende Husarenuniform und sah sehr elegant aus. Am Gürtel hing eine Reitgerte. Gustav fragte sich, ob er gerade von einem Ausritt zurückgekommen war.
„Grüß dich Gott, Gustl. Schön, dass du da bist.“
„Servus, Erzherzog!“, sagte Gustav betont nonchalant. „Sind das deine Ahnen?“ Er deutete auf einige düstere Porträts, die nicht beleuchtet waren.
„Ja, das ist Großmama, Erzherzogin Theresa-Luppina. Ihr
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