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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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genau will ich es gar nicht wissen.“ Gustav hielt sich demonstrativ die Ohren zu.
    „Keine Angst, unser Mörder verzichtet wenigstens darauf, seine Opfer zu sezieren. Dafür fügt er ihnen Schnittverletzungen zu. Ich war bei der Autopsie dieser bayerischen Comtesse dabei …“
    „Du sollst Ruhe geben, hab ich gesagt. Mir ist eh schon schlecht.“
    „Ich hab mir überlegt, ob ich nicht nach London fahren und mit den Ärzten, die die Obduktionen durchgeführt haben, persönlich reden sollte. Das würde vielleicht mehr bringen, als wenn sich irgendein junger, unerfahrener Kollege von Scotland Yard bei uns wichtig macht. Ich könnte mich dann auch gleich vor Ort über dieses neumodische Fingerabdrucksverfahren schlaumachen. In Indien wird es schon längst eingesetzt, um die einheimischen Bevölkerungsgruppen voneinander zu unterscheiden.“
    „Fingerabdrücke werden bei uns noch nicht als Beweismittel zugelassen“, warf Gustav ein.
    „Das weiß ich auch. Aber ich könnte mir vorstellen, dass das ein recht praktisches und unkompliziertes Verfahren ist, um einen Täter zu identifizieren.“
    „Nicht, wenn der Mörder Handschuhe getragen hat. Und Marie Luise hat behauptet, dass der Mann, der sie gewürgt hat, schwarze Lederhandschuhe anhatte. Aber lass dich nicht aufhalten. Vielleicht solltest du zuerst einmal diesen falschen Italiener verhaften. Wenn du es schaffst, die Frauenmorde in Schönbrunn aufzuklären, wirst du jedenfalls der nächste Polizeipräsident von Wien werden“, prophezeite Gustav seinem Freund.
    Zu Hause wurde Gustav von zwei aufgeregten jungen Damen empfangen. Dorothea hatte Marie Luise mitgebracht. Beide redeten gleichzeitig auf ihn ein.
    Gustav war immer noch sauer auf den Italiener, der Dorothea belästigt hatte.
    „Könnte nicht dieser Giuseppe Cagnola der Frauenmörder von Schönbrunn sein?“, fragte er plötzlich die jungen Damen.
    „Red keinen Blödsinn, Gustav“, wies ihn Dorothea zurecht.
    Auch Marie Luise verteidigte den Cavaliere. Er habe sie „bellissima Sisi“ genannt, erklärte sie fast stolz, und ihr Komplimente wegen ihrer Ähnlichkeit mit der schönen Kaiserin gemacht.
    Vera ließ sich das Abendessen in ihrem Zimmer servieren. Seit ihrer Genesung schrieb sie fast rund um die Uhr. Sie hatte jede Menge aufzuarbeiten.
    Josefa servierte Gustav und den Damen einen Teller mit dampfenden heißen Würsteln im Schlafrock. Keiner hatte ihr Bescheid gesagt, dass sie zum Abendessen einen Gast haben würden, sonst hätte sie sich mehr Mühe gegeben. Da sie die Comtesse von Batheny nicht leiden konnte, hielt sich ihr schlechtes Gewissen in Grenzen.
    Nach dem Essen brach Gustav das Versprechen, das er Rudi gegeben hatte, und erzählte den beiden Frauen von den merkwürdigen Schnitten, die der Täter zumindest dreien seiner Opfer zugefügt hatte.
    „Er markiert seine Opfer an der linken Schulter mit einer Art Halbmond und einem langen Strich mit winzig kleinen Schnitten links und rechts. Nein, pardon, wenn ich es mir recht überlege, erinnern mich diese Einschnitte eher an einen Anker oder so etwas Ähnliches.“
    Marie Luise starrte ihn entsetzt an. Dann entblößte sie ihre linke Schulter.
    „Ja, genauso sehen diese Verletzungen aus!“ Gustav war völlig perplex.
    „Ihre Majestät die Kaiserin hatte einen solchen Anker auf ihrer linken Schulter. Der Kaiser war schockiert, als sie ihn sich stechen ließ, so wie ein einfacher Matrose … Nachdem sie mir ihre Tätowierung gezeigt hatte, habe ich mich auch tätowieren lassen. Es hat sehr weh getan“, sagte sie stolz.

35
    Am nächsten Tag traf sich Gustav zu Mittag mit Rudi in der Weinstube „Zum Schwarzen Kameel“. Beim Hofspezereienwarenhändler war wie immer um die Mittagsstunde viel los. Sie konnten gerade noch einen Platz an der Theke ergattern.
    Sein Freund wirkte niedergeschlagen.
    „Hab heute den Italiener eingesperrt. Die Weisung kam vom Hof, direkt aus dem Vorzimmer Seiner Majestät, soviel ich gehört habe. Der Mann ist ein Schwindler, Betrüger und Hochstapler, aber sicher kein Mörder. Als die Hofdame während der Begräbnisfeierlichkeiten in der Badewanne der Kaiserin ermordet wurde, war er nicht in Wien. Das hat mir der Kutscher deines Vaters bestätigt. Graf Batheny hat ein, zwei Tage vor dem venezianischen Kostümfest den Cavaliere und die italienische Sopranistin am Kaiserin-Elisabeth-Bahnhof von seinem Kutscher abholen lassen. Und der Kutscher hat mit eigenen Augen gesehen, wie der Zug in den Bahnhof eingefahren

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