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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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sprach mit sich selbst.
    Der Täter hatte auf Nummer sicher gehen wollen, dachte Gustav. In der Dunkelheit hatte er nicht sehen können, ob ihr Gesicht schon blau angelaufen war, was bei Tod durch Erstickung der Fall gewesen wäre. Sie starb erst, als der Mörder zugestochen hatte. Ihr bleiches Antlitz deutete auf einen großen Blutverlust hin. Die Einstiche auf der Schulter aber gaben Gustav nach wie vor ein Rätsel auf. Warum, weshalb diese Markierungen?, fragte er sich nicht zum ersten Mal.
    Rudi Kasper traf gleichzeitig mit dem Gerichtsmediziner ein.
    „Du schon wieder! Hast du sie angefasst?“, fuhr er seinen Freund an.
    Gustav nickte.
    „Idiot!“
    Der ehrgeizige Polizei-Oberkommissär ärgerte sich, dass ihm der private Ermittler Gustav von Karoly wieder einmal zuvorgekommen war und mehr über die Tote wusste als er selbst.
    „Die Klinge hat auch das Brustbein beschädigt“, sagte der Arzt. „Die Tatwaffe war höchstwahrscheinlich ein Dolch. Nein, ein Bajonett, würde ich sagen.“
    „Er hat sie wieder punktiert“, flüsterte Gustav und wies seinen Freund auf die kleinen Ritze an der linken nackten Schulter der Baronin hin.
    „Glaubst du, ich bin blind? Wir haben diese Markierungen bisher nicht publik gemacht, behalte sie also für dich, falls du das schaffst.“
    Gustav hatte keine Lust, Rudis schlechte Laune weiterhin zu ertragen, außerdem warteten Dorothea und Marie Luise am Eingang des Theaters auf ihn.
    „Darf ich mich verabschieden, oder kann ich noch was für dich tun?“, fragte er.
    „Verschwinde jetzt. Komm morgen um neun Uhr früh zu mir in die Polizeidirektion. In diesem Fall bist du ein wichtiger Zeuge. Der Horvath muss deine Aussage protokollieren.“
    „Wie der Herr befiehlt“, spöttelte Gustav. „Es handelt sich übrigens um die Baronin von Längenfeld.“ Diesen kleinen Triumph hatte er sich nicht versagen können. Nach einem Blick auf Rudis gereizte Miene empfahl er sich.
    Sowohl Marie Luise als auch Dorothea bestürmten ihn mit Fragen, während sie zu Fuß zur Villa Batheny spazierten.
    Gustav berief sich auf das Versprechen, das er seinem Freund gegeben hatte, und erzählte ihnen keine Details, obwohl ihn vor allem Dorothea inständig dar­um bat.
    Marie Luise wusste zu berichten, dass die Baronin von Längenfeld ein Gspusi mit „diesem Italiener“ gehabt hatte.
    Als Gustav und Dorothea nicht auf ihre Worte reagierten, betonte sie: „Mit Giuseppe Cagnola. Ihr wisst schon, wen ich meine? Dieser venezianische Cavaliere hat ja auch mir bei meinem Geburtstagsfest schöne Augen gemacht. Ich habe ihn sofort durchschaut.“
    Gustav konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Seine Halbschwester war eine Meisterin im Verdrehen von Tatsachen. Der falsche Italiener hatte es auf Dorothea abgesehen gehabt und keineswegs auf Marie Luise. Da Dorothea nicht widersprach, ließ er die aufgeregte Marie Luise einfach weiterschwätzen. Offensichtlich hatte Dorothea ihre Freundin noch nicht darüber aufgeklärt, dass Giuseppe Cagnola kein italienischer Cavaliere war. Sie würde schon ihre Gründe dafür haben, dachte er.
    Die Heimfahrt mit Dorothea in einem Fiaker verlief äußerst unerfreulich für Gustav. Da er, auch als sie allein waren, nicht gewillt schien, ihr mehr über den neuen Mord zu erzählen, schmollte sie, sprach kein Wort mit ihm.
    Gustav, der sich sehr bemüht hatte, ein Gespräch in Gang zu bringen, wunderte sich wieder einmal über die Sturheit der Frauen.

34
    Als Gustav von Karoly am nächsten Morgen Rudis Büro in der Polizeidirektion betrat, echauffierte sich sein Freund sofort wieder über die Berichterstattung in den Zeitungen.
    „Sie schreien alle nach Scotland Yard, behaupten, nur die englische Polizei hätte genügend Erfahrung mit so einem Massenmörder. Und vergessen dabei völlig, dass gerade diese hochgelobte englische Polizei es in den letzten zehn Jahren nicht geschafft hat, Jack the Ripper zu fassen.“
    „Ich bin überzeugt, dass du den Wiener Jack the Ripper eher fassen wirst als Scotland Yard“, sagte Gustav grinsend.
    „Ich finde das überhaupt nicht witzig.“
    Manchmal mangelt es Rudi an Humor, dachte Gustav und steckte sich ein Zigarillo an.
    „Angeblich hat die junge Baronin, die gestern ermordet worden ist, ein Gspusi mit Giuseppe Cagnola gehabt“, sagte Rudi. „Eine venezianische Maske wurde in der Loge gefunden. Sie deutet auf diesen Cavaliere hin. Einige Besucher aus dem Parkett haben nach der Pause einen Mann bemerkt, der hinter ihr

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