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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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gehörte einst die halbe Walachei, die Kornkammer unseres Reiches. Sie war eine sehr strenge, fast unheimliche Person. Als Kind habe ich mich vor ihr gefürchtet, wenn ich mich richtig erinnere. Und daneben hängt ihr werter Gemahl. Er war ein Heuchler und Frömmler, wie er im Buche steht, und hatte es faustdick hinter den Ohren, war furchtbar raffgierig und verlogen. Tut mir leid, meine Vorfahren waren keine besonders sympathischen Leute“, sagte er lachend, als er Gustavs entsetzten Blick bemerkte.
    Der Salon übertraf Gustavs Erwartungen bei weitem. Wunderschöne Renaissancemöbel, wertvolle Bilder, ein riesiger elektrischer Luster und eine prächtig gedeckte Tafel.
    „Wollten wir nicht im Casino soupieren?“, fragte Gustav überrascht.
    „Das ist doch kein Souper, mein Guter. Ich hab nur einen kleinen Imbiss vorbereiten lassen.“
    Gustav lief beim Anblick von Austern, Wildlachs, Foie gras und den anderen Köstlichkeiten das Wasser im Mund zusammen.
    „Bring den Champagner, Heinrich“, sagte Karl Kon­stantin und bat seinen Gast, es sich kommod zu machen.
    Während sich Gustav über die köstlichen Hors­d’­œuvres hermachte und sich sehr beherrschen musste, nicht eine Auster nach der anderen zu schlürfen, erzählte ihm Karl Konstantin von der Kaiser-Franz-­Joseph-Jubiläumsausstellung am Rotundengelände im Prater und dem zweiten Marcus-Wagen, der dort präsentiert wurde.
    „Ein mit einem Benzinmotor betriebenes Straßenfahrzeug, das muss man sich einmal vorstellen“, sagte er. „Dieser Siegfried Marcus ist ein echtes Genie!“
    „Er ist nicht der Erfinder des ersten Automobils“, warf Gustav ein.
    „Ist es nicht völlig egal, wer dieses göttliche Fahrzeug erfunden hat?“, unterbrach ihn Karl Konstantin leicht gereizt. „Jedenfalls werde ich mir demnächst so einen Wagen zulegen.“
    „Seine Majestät scheint ja nicht gerade begeistert von dieser Neuerfindung zu sein“, sagte Gustav.
    „Unser geliebter Kaiser ist jedem Fortschritt abhold, wie wir wissen“, fuhr ihm Karl Konstantin erneut dazwischen. „Hoffe, du wirst mich auf meiner Jungfernfahrt begleiten?“
    „Gern, mein Lieber, wenn in diesem Gefährt überhaupt zwei Personen Platz haben.“
    „Wir werden schon Platz für dich schaffen.“ Karl Konstantin klopfte Gustav leutselig auf die Schulter.
    Das Gespräch verebbte. Der Erzherzog schien sich zu langweilen. Er gähnte mehrmals demonstrativ. Gustav wusste nicht so recht, welches Thema er anschneiden könnte, um seinen Gastgeber bei Laune zu halten.
    Nachdem sie die Champagnerflasche geleert hatten, sagte Gustav: „Wollten wir nicht ins Casino?“
    „Ja, brechen wir auf, es ist bald halb zehn. Um diese Zeit kann man sich dort schon sehen lassen. – Lass den Wagen vorfahren, Heinrich“, befahl Karl Kon­stantin.
    Während Gustav einer weiteren Auster den Garaus machte, sprang der Erzherzog auf. Sogleich eilte ein anderer Diener herbei und reichte ihm einen weißen Pelz. Karl Konstantin schlang ihn um seine Schultern und deutete Gustav, ihm zu folgen.
    Der Sechsspänner wartete draußen am Fleischmarkt. Kaum saßen sie im Wagen, schien der Erzherzog wieder besser gelaunt. Er erzählte Gustav von den neuen Pferden, die er sich kürzlich angeschafft hatte.
    „Ich darf wohl behaupten, den schnellsten Sechsspänner der Stadt zu besitzen“, sagte er voller Genug­tuung, während sie das kurze Stück vom Fleischmarkt in die Kärntner Straße in höllischem Tempo zurücklegten.

36
    Im Casino war nicht allzu viel los. Gustav war dennoch froh, seinen Frack zu tragen, denn die wenigen Herrschaften, die heute Abend hier verkehrten, waren alle sehr vornehm gekleidet.
    Karl Konstantin erwiderte die Grüße des einen oder anderen Bekannten mit hochgezogenen Brauen.
    „Willst du unbedingt hier soupieren?“, fragte er Gustav. „Hier ist es so fad.“
    „Wir können gern woanders hingehen. Sag du, wonach dir ist.“
    „Ich weiß nicht, hab zu nix Lust, alter Freund.“
    „Auch nicht auf nette weibliche Gesellschaft?“, fragte Gustav augenzwinkernd.
    „Gut, dann lass ich uns ein paar Weiber kommen.“ Er winkte den Ober heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    Während sie warteten, tranken sie einen Bordeaux und rauchten schweigend Virginiazigarren. Karl Konstantin wirkte immer noch trübsinnig.
    Als ihnen der Ober nach etwa zwanzig Minuten zu verstehen gab, dass draußen zwei Frauen für sie bereitstünden, gab ihm der Erzherzog ein fürstliches Trinkgeld und drängte Gustav, der

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