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Die Toten der Villa Triste

Die Toten der Villa Triste

Titel: Die Toten der Villa Triste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucretia Grindle
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Stockwerke wieder nach unten gegangen, um die Polizei anzurufen?«, fragte Pallioti. »Oder haben Sie Signor Trantementos Telefon benutzt?«
    Wieder zögerte sie. Dann sagte sie: »Ich bin wieder nach unten gegangen. Ich – ich weiß nicht recht, warum. Wahrscheinlich, weil ich noch nie in seiner Wohnung war. Ich weiß nicht, wo sein Telefon steht, außerdem …« Sie zuckte mit den Achseln.
    Außerdem war er tot, dachte Pallioti, es gab also keinen Grund zur Eile, oder?
    »Eines noch«, sagte er. »Der Aufzug. Den haben Sie nicht benutzt? Obwohl Sie wussten, dass er tot war, und obwohl Sie die Polizei anrufen mussten?«
    Sie schüttelte energisch den Kopf.
    »Und können Sie mir sagen, ob Sie sich eventuell gemerkt haben, auf welchem Stockwerk der Aufzug stand?«
    Sie blickte auf das Gitter mit dem Absperrband, als hätte Pallioti angedeutet, dass der Aufzug persönlich aus der Haustür ins Nachbarhaus geflohen sein könnte. Dann sagte sie: »Ach so, jetzt verstehe ich. Nein. Nein, ich weiß nicht, auf welchem Stockwerk er stand. Ich interessiere mich nicht für ihn«, ergänzte sie, als wäre der Aufzug ein ungezogenes Kind.
    Pallioti zog eine Visitenkarte aus seiner Tasche.
    »Danke«, sagte er noch einmal. »Ich werde Sie jetzt nicht weiter belästigen, aber falls Ihnen noch etwas einfällt, was Sie mir erzählen möchten …«
    Sie nahm die Karte zaghaft aus seinen Fingern und schob sie in ihre Schürzentasche. Er wollte sich gerade abwenden, als Enzo nach ihm rief.
    »Chef?«
    Enzo drückte sich an der Polizistin vorbei, die zuvor die Straße mit Pylonen abgesperrt hatte und jetzt unter dem Vordach Wache stand, wo ihr neonfarbener Anorak auf die Steinplatten tropfte. Enzo selbst war triefnass, schien das aber nicht zu merken. Er marschierte eifrig auf Pallioti zu und streckte ihm einen durchsichtigen Beweisbeutel hin. Im Halbdunkel des Hausgangs brauchte Pallioti ein paar Sekunden, um zu erkennen, dass eine Brieftasche darin lag. Eine lange, schwarzlederne Herrenbrieftasche.
    »Sein Ausweis liegt noch drin«, sagte Enzo. »Und außen sind seine Initialen eingeprägt.«
    Er drehte den Beutel um, sodass Pallioti die in Gold geprägten Buchstaben G. B. T. erkennen konnte. Mit Sicherheit hieß er Giovanni Battiste. Pallioti brauchte nicht zu fragen, wann der Mann Geburtstag hatte.
    »Wo?«, fragte er.
    Enzo grinste.
    »In der Gasse neben dem Haus, ungefähr auf halber Höhe. Ich habe die Stelle absperren lassen. Der Ausweis und ein paar Karten sind noch drin. Keine einzige Banknote. Aber dafür das hier.«
    Er zog aus seiner Jacke einen zweiten Beweismittelbeutel und präsentierte ihn Pallioti wie ein Zauberkünstler. Darin lag ein durchnässter Zettel.
    »Eine Quittung für einen eingelösten Scheck«, sagte Enzo.
    Pallioti hatte beinahe vergessen, dass solche Dinge existierten. Inzwischen wurde die Welt von Plastikkärtchen regiert.
    »Der lag im Münzfach«, erklärte Enzo soeben. »Gestern Nachmittag um fünfzehn Uhr zwölf hat er einen Scheck über fünfhundert Euro eingereicht. Ich gehe nach oben und suche nach dem Scheckbuch.« Enzo sauste los und die Treppe hinauf, wobei er zwei Stufen auf einmal nahm. »Der Safespezialist ist schon unterwegs«, rief er noch.
    Seine Worte hallten durchs Treppenhaus. Pallioti sah ihm nach und überlegte, was er Marta hatte fragen wollen, bevor Enzo aufgetaucht war. Dann fiel es ihm wieder ein. Er drehte sich zu ihr um und sagte: »Verzeihung, Signora Buonifaccio, aber der Brief?«
    »Der Brief?«
    Marta starrte auf den Punkt auf dem Treppenabsatz, wo Enzo verschwunden war. »Ach ja«, sagte sie plötzlich. »Der Brief. Richtig.«
    Sie griff in ihre Schürzentasche, zog einen Umschlag heraus und reichte ihn Pallioti. Das Papier fühlte sich fest und teuer an. Die Tinte auf der Vorderseite war im Regen leicht verlaufen, weshalb die Adresse aussah, als würde sie tropfen. Er drehte den Umschlag um und sah den kleinen Drachen im Kreis. Dann stellte er fest: »Der ist ja offen.«
    Marta sah ihn an. Dann bestätigte sie seine Worte mit einem winzigen Nicken.
    »War er schon offen, als Sie ihn gefunden haben? Im Papierkorb?«
    Marta nickte abermals kurz. »Ich dachte, ich sollte nachsehen«, sagte sie. »Nur um sicherzugehen, dass er sich nicht geirrt hat. Das sah nicht aus wie ein Brief, den man wegwirft.«

    25. Oktober 2006
    Sehr geehrter Signor Trantemento,
    es war mir wie jedes Mal ein Vergnügen, Sie vergangenen Monat in Ihrer schönen Stadt besuchen zu dürfen.
    Ich habe

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