Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall
auf der Liste der Gefallenen.“
Empörung, Entrüstung, Unschuldsbeteuerungen, ich hatte mit allem gerechnet. Nur nicht damit, dass sie anfangen würde zu lachen. Ihr Lachen klang schrill, und es jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken.
„Seit man mir mitgeteilt hat, dass die Delegationen im Kloster ihre Gespräche begonnen haben, warte ich darauf, dass die Stadtknechte hier eindringen. Und jetzt kommt Ihr und fragt mich allen Ernstes nach meinen Gründen?“
„Euer Mann musste sterben, ein Vertreter Burgunds wurde getötet, fast wären beide Delegationen vergiftet worden. Nicht auszudenken, was sie unter dem Einfluss des Giftes in ihrer Raserei angerichtet hätten. Euer Mörder hat Bruder Nolden ermordet und endlich auch noch einen jungen Novizen auf dem Gewissen. Ja, ich möchte gern den Grund für all das Töten wissen.“
Regina von Grevenrath drehte sich wieder zum Kamin. Nun sprach sie mit tonloser Stimme, mehr zu den Flammen als zu mir .
„Warum? Ist das denn so schwer zu verstehen? Die reiche Kaufmannsgattin, der geachtete Ratsherr und Schöffe, Anwärter für die höchsten Ämter – das ist alles, was die Leute sehen. W en interessiert schon das Warum? Ich war noch keine fünfzehn Jahre alt, als ich mit Hermann Wilhelm von Grevenrath verheiratet wurde. Er war 25 Jahr älter. Ein reicher Kaufmann, der junge Mädchen liebte. Er war ein Schwein, und er blieb es auch in all den Jahren. Schon in unserer Hochzeitsnacht nahm er mich mit Gewalt und schlug mich, weil ich vor Schmerzen brüllte. Drei Schwangerschaften endeten frühzeitig. Dann endlich wurde Peter Hermann geboren. Ich gebar ihm den ersehnten Stammhalter und wäre bei der Geburt meines Sohnes fast gestorben. Danach war kla r, dass ich nie wieder Kinder bekommen konnte. Mein Gatte ve rgriff sich an jeder Magd. Holte sich Huren ins Haus, verhöhnte mich, wenn er mit ihnen in unser Schlafzimmer kam und mich mit dem Lederriemen aus dem Raum peitschte. Oh, nach außen hin war er der erfolgreiche Kaufmann, ich durfte ihn bei Empfängen begleiten und bei Festen hier im Haus an seiner Seite sitzen. Doch sobald die Türen geschlossen waren, brach die Hölle los. Dann, eines Tages, war es genug. Peter Hermann hatte sein Holzschwert zerbrochen, und mein Gatte griff zur Peitsche. An diesem Abend setzte ich ihm im Bett ein Messer an die Kehle. Ich schwor, ihm i rgendwann des Nachts die Eier abzuschneiden und ihn aufzuschlitzen wie eine Sau, wenn er meinen Sohn und mich nicht in Ruhe lassen würde. In jener Nacht schlossen wir einen Pakt. Ich ahnte ja nicht, dass er in seinem Hass nur auf den Tag der Rache wartete. Das einzige, was mich hier hielt, war mein Sohn. Und dann, eines Tages, Peter Hermann war gerade 19 Jahre alt geworden, verkündete mein Gatte, dass unser Sohn Teil des Andernacher Aufgebotes werden sollte. Ich beschwor ihn, unseren Sohn nicht nach Linz zu schicken. Doch davon wollte der große Ratsherr nichts hören. Er nahm mir das einzige, was ich liebte. Ein W ort von ihm hätte genügt, und unser Sohn wäre gar nicht erst im Namen des Kaisers ausgezogen. Und der Kaiser? Unser allseits geliebter Habsburger? Er hatte schon Tage vorher von der Gefahr gehört, dass burgundische Nachschubtruppen die Andernacher Männer angreifen könnten. Mein Gott, der Habsburger hatte fast 40.000 Mann in der Nähe, aber schickte er Verstärkung? Nein, er wartete einfach ab. Am Morgen griffen die Burgunder an, am Ende des Tages schwammen die Körper der Gefallenen im Rhein. Peter Hermanns Leiche wurde nie gefunden. Mein Mann aber feierte zusammen mit seinen Ratskollegen ein paar Wochen später die Rückkehr des Rheinzolls in die Stadt. Das Zollrecht kam nach einhundert Jahren zurück nach Andernach, doch an ihm klebte das Blut der Toten von Linz. Das Blut meines Sohnes. Und hat den Kaiser dieses Blut interessiert? Bevor er ging, hat er großzügig einen Altar gestiftet. Die Andernacher durften ihn selber von den Zolleinnahmen bezahlen. So sah die Großzügigkeit unseres Kaisers aus. Und jetzt – keine zwei Jahre später – sollen hier in der Stadt Habsburger und Burgunder eine Verbindung der beiden Familien vereinbaren. So als wäre dieser Krieg nie gewesen, die Toten völlig umsonst gestorben. Soll die Stadt sich erneut brüsten können, den hohen Herren geholfen zu haben? Nein, nicht, wenn ich es verhindern kann. Mein treuloser, rachsüchtiger Gatte, das Schwein, musste als erstes sterben, so lautete der Auftrag. Und alles andere war mir egal. Es galt
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