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Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Titel: Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas J. Schulte
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Der verletzliche Eindruck, den sie noch vor wenigen Augenblicken auf mich gemacht hatte, war vollkommen verschwunden. Aus blauen Augen blitzte sie mich zornig an. „Ich weiß, ihm fehlt der Vater, aber das gibt Euch nicht das Recht zu solchen Behauptungen. Ihr kennt meinen Sohn doch gar nicht …“
    Ich griff in meine Weste, zog das Messer heraus und stach zu. Die Klinge blieb zitternd in der Tischplatte stecken. Bei ihrem Anblick verstummte Johanna. Ursprünglich wollte ich die Sache mit dem Messer für mich behalten, aber Johanna ließ mir keine andere Wahl.
    „Das Messer da gehört Eure m Sohn. Ich habe es ihm heute abgenommen, und glaubt mir, er sticht damit schneller zu, als ich es bei einem Zwölfjährigen jemals für möglich gehalten hätte. Nebenbei, das ist kein Messer zum Apfelschälen und Rindenschiffchen schnitzen. Das da ist eine Waffe, und Thomas kann damit umgehen.“
    Johanna sank auf ihrem Stuhl zusammen. Vorwürfe, Empörung, Wut – alles mit einer Dolchklinge in der Tischplatte zum Schweigen gebracht. Seltsamerweise glaubte sie mir sofort, dass das Messer Thomas gehörte.
    Johanna starrte vor sich ins Leere, dann flüsterte sie: „Ich prügel ihn windelweich. Wenn der mir noch einmal zwischen die Finger kommt, dann kann er was erleben.“
    „Aber Johanna, seid Ihr verrückt? Erst wollt Ihr mir nicht glauben, und jetzt wollt Ihr Thomas verprügeln?!“
    „Thomas?“ Johanna schaute mich fragend an, dann begri ff sie. „Thomas doch nicht! Ich rede von Gregor. Von wem hat denn Thomas all das? Wer hat ihn denn mi t zum Hafen genommen? Gregor hat Glück, dass er zurzeit im Bürgerturm sitzt. Aber lasst ihn nur frei sein, dann wir d er sich nach den Tagen im Kerker zurücksehnen.“
    Johanna verstummte, langsam schien ihre Wut verraucht. Vielleicht, weil ihr bewusst wurde, dass Gregor ganz andere Sorgen hatte als eine wütende Schwester, die ihm Prügel androhen könnte.
    „Konrad, was mach ich bloß? Ihr habt heute doch mit Thomas gesprochen. Wolltet Ihr ihm nicht auch noch etwas beibringen?“
    W arum lag die Verantwortung plötzlich auf meinen Schultern?
    Natürlich hätte ich mir sagen können, dass mich das Ganze nichts anging. Doch das stimmte nicht. Ich mochte Thomas. Und Johanna. Vielleicht ließ er sich ja von mir davon abhalten, weiter am Hafen herumzulungern, zwischen all den Schlägern, Spielern und Dirnen.
    „Wisst Ihr, Johanna, den ganzen Nachmittag habe ich darüber nachgedacht. Thomas ist längst kein Kind mehr. Wäre er ein Mädchen, wäre er womöglich schon verlobt oder verheiratet. Als Junge auf einer Burg hätte er seine Pagen-Jahren fast vollendet. Es gab in Schlachten Knappen, nicht viel älter als e r. Aber die Wahrheit ist, ich weiß noch nicht, wie ich helfen kann.“
    Ich horchte auf. Draußen hörte man schwere Schritte. Das war nicht Thomas, der lauschen wollte. Bevor ich aber aufstehen und nachsehen konnte, schlugen schwere Faustschläge gegen das Türholz. Na, der hatte mir gerade noch gefehlt. Johanna schaute erschrocken zum Eingang.
    Sie stand auf, strich mit einer hastigen Bewegung ihren Rock glatt, so als müsste sie Ordnung in ihre Kleider bringen.
    „Seid unbesorgt! Was da klingt wie die Heerscharen des Herrn, ist doch nur sein Diener auf Erden. Kommt herein, Hochwürden, die Tür ist offen!“
    Pastor Heinrich brauchte keine zweite Aufforderung.
    „Beim heiligen Georg und einem Zipfel Drachenschwanz, ich hab Euch doch gesagt, dass Ihr das ‚Hochwürden‘ vergessen sollt, wenn wir unter uns sind.“
    Erst jetzt sah Pastor Heinrich Johanna neben dem Tisch stehen.
    „Oho, eine holde Maid in Eurer Kammer!“ Heinrich verbeugte sich vor Johanna mit einer Eleganz, die manchen Höfling vor Neid hätte erblassen lassen.
    Mir drohte er mit dem Zeigefinger: „Da hättet Ihr aber besser die Tür verriegelt. Dann platzt auch kein Besucher ins Haus.“
    „Heinrich, es reicht jetzt, das ist alles andere als lustig“, unterbrach ihn Johanna. Bildete ich mir das ein, oder zog da gerade eine zarte Röte in das Gesicht unseres Pfarrers?
    „Na, nichts für ungut, Johanna. Ve rgebt einem alten Soldaten doch einen derben Scherz. Nie käme ich auf den Gedanken, dass Ihr gegen Sitte und Anstand verstoßen könntet.“
    Wenn es überhaupt möglich war, dann wurde Heinrich gerade noch eine Spur röter.
    Johanna sah seine Verlegenheit. Sie ging zu ihm hinüber, legte ihm vertraulich die Hand auf den Arm und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Heinrich riss erstaunt die Augen auf

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