Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
sie aus ihren Gedanken.
«Tja, jetzt ist es wohl erst mal vorbei mit dem Frieden», entfuhr es der Kollegin bei einem Blick durch die Halle.
Vanja wandte sich um und sah, wie Sebastian mit einem herablassenden und ein wenig selbstgerechten Grinsen im Gesicht auf sie zukam. Ein Grinsen, das sie noch vor wenigen Wochen in den Wahnsinn getrieben hätte, das sie jetzt aber lediglich zur Kenntnis nahm.
«Offenbar wartet ihr nur auf mich», sagte er, stellte seinen Koffer auf den Boden und umarmte Vanja. «Wie schön, dich zu sehen!»
Billy beobachtete die beiden. Er wurde nicht ganz schlau aus ihrer Beziehung. Oder doch, ein wenig konnte er es schon verstehen. Vanja hatte Sebastian akzeptiert, weil er damals angeboten hatte, ihren Platz einzunehmen, als Hinde sie als Geisel genommen hatte.
Aber da war noch eine andere Sache.
Edward Hinde hatte ausschließlich Frauen ermorden lassen, die einmal eine sexuelle Beziehung zu Sebastian gehabt hatten. Und Vanjas Mutter hatte auf Hindes Liste der potenziellen Opfer gestanden, die Billy gefunden hatte. Also gab es wohl keinen Zweifel daran, dass Sebastian mit Anna Eriksson geschlafen hatte. Billy hatte während der Ermittlung ein wenig nachgeforscht, war aber nicht weit gekommen. Im Prinzip ließ sich unmöglich herausfinden, wo und wann es geschehen war, außerdem kam es ihm schäbig vor, im Sexleben der Mutter seiner Kollegin herumzuschnüffeln. Ob Anna Eriksson ihren Mann mit Sebastian betrogen hatte, ging Billy wohl kaum etwas an. Er konnte sich natürlich fragen, ob Vanja Sebastian gegenüber genauso wohlgesinnt wäre, wenn sie es wüsste, aber Billy wollte nicht derjenige sein, der es ihr erzählte. Er wollte seine leicht ramponierte Freundschaft mit Vanja nicht noch einmal gefährden.
«Tut mir leid, dass ich so spät bin», erklärte Sebastian, nachdem er seine Begrüßungsrunde abgeschlossen hatte. «Ich musste noch auf einen Schlüsseldienst warten.»
«Hast du dich etwa ausgesperrt?», fragte Ursula, und Sebastian glaubte, ein schadenfrohes Grinsen auf ihren Lippen zu bemerken.
«Nein.» Mit einem liebenswürdigen Lächeln wandte er sich Jennifer zu. «Wie war dein Name noch mal? Jennifer?»
«Ja. Holmgren.»
Sebastian nickte vor sich hin und wiederholte ihren Namen. Torkel sah, wie Ursula die Augen verdrehte.
«Kann ich kurz mit dir reden?», fragte er Sebastian.
Ohne eine Antwort abzuwarten, packte er Sebastians Arm und zog ihn mindestens zehn Schritte von der Gruppe weg.
«Du gehst nicht mit ihr ins Bett!», zischte er leise, aber sehr deutlich, sobald sie außer Hörweite waren.
Sebastian warf einen schnellen Blick über Torkels Schulter zum Rest der Versammlung. Jennifer unterhielt sich gerade mit Billy. Ursula sah missbilligend zu Sebastian hinüber. Vermutlich konnte sie sich denken, worüber Torkel mit ihm sprach. Sebastian lächelte sie an.
«Glaubst du denn, dass sie mit mir ins Bett will?», fragte er und richtete seine Konzentration wieder auf Torkel.
«Nein, das glaube ich nicht, aber du hast ja dieses merkwürdige Talent, Frauen abzuschleppen. In diesem Fall solltest du es allerdings gar nicht erst versuchen!»
«In Ordnung.»
Torkel sah Sebastian verdutzt an. In Ordnung? Einfach so? Das ging zu leicht.
Plötzlich beschlich ihn die Befürchtung, dass er die Lage gerade verschlimmert hatte. Erzählte man Sebastian, was er zu tun oder zu lassen hatte, machte er oft genau das Gegenteil. Er konnte es nicht ertragen, wenn andere ihm Vorschriften machten. War Jennifer gerade noch interessanter geworden, weil Torkel gesagt hatte, dass sie für Sebastian tabu war?
Das Risiko war vorhanden.
Es war sogar ziemlich groß.
«Ich meine es ernst», bekräftigte Torkel mit Nachdruck. «Sonst fliegst du sofort raus.» Er fixierte Sebastian und hoffte, dass dessen Freude darüber, wieder mit im Team zu sein, größer war als sein Bedürfnis nach Trotzverhalten.
«Ja, das habe ich verstanden. Keine Sorge, es wird nichts passieren.»
«Gut.»
Torkel drehte sich um und ging langsam auf die anderen zu. Sebastian folgte ihm.
«Aber warum kommt sie denn eigentlich mit?»
«Weil sie vielleicht Vanja ersetzen wird.»
Sebastian blieb abrupt stehen und umklammerte Torkels Arm. Etwas zu fest, etwas zu unsanft. Als Torkel sich fragend umdrehte, ließ er sofort los.
«Aber warum?» Sebastian musste sich beherrschen, nicht zu schockiert und aufgeregt zu wirken. «Was wird Vanja denn stattdessen tun?»
«Sie hat sich für eine Ausbildung zum Profiler beim
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