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Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Titel: Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Hans Rosenfeldt
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redete sie sich ein, hatte sich nichts geändert. Dies war nur ein vorübergehender Zustand. Eine Krise. Aber eine Krise, die sie bewältigen und verarbeiten mussten. Es bestand kein Grund zur Panik oder zu unüberlegten Handlungen. Sie hatte einen Plan, an den sie sich halten musste.
    Erst würde sie sich um Valdemar Lithner kümmern.
    Dann war Sebastian an der Reihe.

[zur Inhaltsübersicht]
    S onnenschein.
    Strahlender Sonnenschein.
    Sein Oberkörper war nackt, ihm lief der Schweiß. Die Luft war schwül. Bei dieser feuchten Hitze hätte er am liebsten mit einem Buch im Schatten gesessen. Das Klima zehrte an seinen Kräften. Aber nicht an ihren. Sie war ein Energiebündel, saß auf seinen Schultern und quengelte, er solle schneller gehen. Sie wollte zum Wasser. Planschen und spielen. Als er stolperte, lachte sie und presste ihre kleinen, zarten Handflächen fester an seine stoppeligen Wangen.
    «Papa, so einen will ich auch.»
    Sie zeigte auf das, was sie entdeckt hatte. Ein Mädchen spielte mit einem aufblasbaren Plastikdelfin.
    Dann waren sie am Meer. Er spürte, wie die Sonne auf seine Schultern brannte, als er sie herunterhob. Zwei Gedanken kamen ihm fast gleichzeitig.
    Niedriger Wasserstand heute.
    Er hatte die Sonnencreme vergessen.
    Sie sprangen ins Meer. Das Platschen. Das Lachen. Die Rufe vom Strand.
    Das Donnern. Die Wand aus Wasser.
    Er sah sie kommen. Rannte zu seiner Tochter. Bekam ihre Hand zu fassen. Hielt sie fest. Ihre kleine Hand in seiner. Er glaubte, den kleinen Schmetterlingsring zu spüren, den er ihr geschenkt hatte. Er durfte nicht loslassen. Nie wieder loslassen. Seine ganze Kraft, sein ganzes Bewusstsein. Konzentriert. Sein ganzes Leben in seiner rechten Hand.
    Aber dann war sie weg. Die Hand plötzlich leer. Er hatte losgelassen.
    Sebastian erwachte in das dicke Daunenbett gewickelt. Verschwitzt. Atemlos. Mit dem Krampf in der rechten Hand, der sich bis zum Ellbogen zog. Mit unkontrollierten, fuchtelnden Bewegungen befreite er sich von dem Bettzeug und setzte sich auf. Unter Schmerzen streckte er die Finger der rechten Hand aus. Seine Handfläche war blutig.
    Der Traum.
    Dieser verdammte Traum.
    So lebendig.
    Detailreich. Wie ein Film. Nein, mehr. Es roch genau wie damals. Ein vollständiges Erlebnis.
    Das Erlebnis.
    Keine losen Fragmente, wie es manchmal der Fall war. Wenn er mit einer zu bewältigenden Angst erwachte, einem schalen Rest von Eindrücken, Erinnerungen und Phantasien, von denen er wusste, sie würden wieder verschwinden. Diesmal war es jedoch so, als hätte er alles noch einmal erlebt. Es war einige Jahre her, seit es ihn zuletzt so schwer getroffen hatte. Er war wie gelähmt. Sein Herz raste. Der Schweiß lief in Strömen. Er weinte ein stilles, bodenloses Weinen.
    Die Kinder waren schuld. Die Kinder in diesem verdammten Grab. Er durfte nichts mit toten Kindern zu tun haben. Das hielt er nicht länger aus. Sie hatten ihn direkt zu Sabine geführt. Mitten hinein in diesen Kern aus Schmerz und Schuld, den er seit Jahren einzukapseln versuchte. Doch beständig sickerte ein bisschen mehr heraus und vergiftete ihn allmählich. Und jetzt war die Kapsel endgültig gesprengt worden. War weit geöffnet. Ließ ihn psychisch versehrt zurück. Und sein Körper fühlte sich an wie damals. Hinterher. Als er in der Verwüstung des zweiten Weihnachtsfeiertages wieder zu Bewusstsein kam. Allein.
    Irgendwann stand er doch auf. Kam auf die Füße und stellte zu seiner Verwunderung fest, dass ihn seine Beine noch trugen. Damals wie heute.
    Er stolperte zu dem Stuhl, auf dem er gestern seine Sachen abgelegt hatte, und zog sich das T-Shirt über den Kopf. Er würde nicht mehr schlafen können. Wie viel Uhr war es? Zwanzig nach vier. Rund fünf Stunden Schlaf. Wann würden es endlich wieder mehr werden? Schon jetzt fürchtete er sich davor, am Abend wieder ins Bett zu gehen, obwohl bis dahin noch zwanzig Stunden vor ihm lagen. Er wollte nie wieder eine Nacht in diesem Bett verbringen. Er wollte auch nicht mehr in diesem Zimmer sein.
    Sebastian öffnete die Tür und trat in den Flur hinaus. Im Hotel war es still. Hier draußen war es kälter als in seinem Zimmer, und er überlegte, ob er wieder zurückgehen und seine Hose überziehen sollte, entschied sich aber dagegen. Barfuß tappte er den Korridor entlang, an der Rezeption vorbei und ins Restaurant. Er ging zum Kühlschrank und nahm eine Cola aus dem obersten Fach.
    «Hast du vor, dafür zu bezahlen?»
    Sebastian zuckte zusammen, fast hätte

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