Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
breitgemacht. Nichts sprach dafür, dass sie eine dieser verschwundenen Familien gefunden hatten. Bei den Norwegern war es noch am ehesten möglich, doch auch hier blieben so viele Fragen offen, dass man nicht das Gefühl hatte, einen Schritt weitergekommen zu sein.
«Was Alleinstehende mit Kindern betrifft, ist die Liste länger», erklärte Vanja und blätterte erneut in ihren Unterlagen. «Aber nicht viel. In den Jahren 2001, 2003 und 2004 verschwanden drei Väter mit ihren Kindern. Bei allen geht man davon aus, dass die Männer ihre Kinder gekidnappt und in ihre Heimat verschleppt haben. Das Alter und weitere Details zu den Kindern findet ihr in den Unterlagen. Eine Frau und ihre Tochter verschwanden 2002 in Örebro, die Mutter litt unter schweren Depressionen, vermutlich ein erweiterter Suizid. Sie wurden nie gefunden. 2005 wurde ein Vierjähriger in Trollhättan vermisst gemeldet, auch er tauchte nie wieder auf.» Vanja warf ihre Papiere auf den Tisch.
Erneutes Schweigen. Gestern hatten sie trotz allem ein wenig Hoffnung geschöpft. Wenn sie die Opfer nur identifizierten, würden sie auch dem Täter näher kommen. Viel näher. Zwei Erwachsene, zwei Kinder. Irgendwo vermisste man sie bestimmt. Eine ganze Familie konnte sich nicht einfach in Luft auflösen, ohne dass sich jemand darüber wunderte. Und dennoch schien genau das der Fall zu sein.
«Wir müssen die Suche ausweiten», erklärte Torkel mit einem lauten Seufzer. «Europol einbeziehen, eine internationale Suchmeldung herausgeben. Dies ist ein beliebtes Touristenziel. Vanja, du gleichst deine Suche mit Billy und Jennifer ab, damit wir so breit und effektiv wie möglich arbeiten können.»
Vanja nickte und schob mit einem zufriedenen Lächeln ihre Papiere zusammen.
«Das Gepäck der Holländer …», sagte Billy und lehnte sich zurück, die Arme hinter dem Kopf verschränkt.
«Was ist damit?», fragte Ursula.
«Wir haben es nicht gefunden.»
«Hätten wir das denn tun sollen?»
Billy ließ die Arme sinken, beugte sich wieder vor und zuckte mit den Schultern. «Wir haben ihre Kleidung gefunden, warum sollten wir nicht auch das Gepäck finden?» Er schielte zu Sebastian hinüber, als erwartete er den nächsten Gegenschlag aus dieser Richtung. «Sie wollten eine Woche unterwegs sein, da müssten sie doch einiges dabeigehabt haben.»
«Vielleicht hat er die Sachen mitgenommen», schlug Vanja vor. «Der Mörder», fügte sie hinzu.
«Warum? Das wäre doch nur eine zusätzliche Last für ihn gewesen.»
«Wir wissen nicht, wie er dort hingekommen ist. Vielleicht hatte er ja ein Auto mit Vierradantrieb?»
«Da ist etwas dran», stimmte Ursula zu. «Oder das Gepäck könnte noch irgendwo dort sein.» Sie wandte sich Torkel zu. «Ich möchte, dass man einen größeren Bereich rings um den Fundort umgräbt.»
Torkel seufzte erneut. Eigentlich sah ihm das nicht ähnlich. Er mochte es nicht, wenn im Konferenzraum geächzt und gestöhnt wurde. Das drosselte die Energie und vermittelte ein Gefühl von Niederlage, das er normalerweise vermeiden wollte.
«Okay. Aber soweit ich weiß, gab es bereits Proteste. Es ist ein Naturschutzgebiet.»
«Und dies ist eine Ermittlung in einem Mordfall», erwiderte Ursula trocken. «Es geht darum, Prioritäten zu setzen.»
«Sag das mal den Ökofreaks von der Kommunalverwaltung.»
«Ich dachte eigentlich, das wäre deine Aufgabe.»
Sie lächelte ihn an und begann nun ebenfalls, ihre Papiere zu stapeln. Sie kamen einfach nicht weiter. Alle waren im Aufbruch begriffen.
«Da ist noch eine Sache …» Jennifers Stimme ließ das Team innehalten. «Etwas, auf das ich gestoßen bin, als ich nach den verlassenen Autos suchte.»
Sie sanken wieder auf ihre Stühle und sahen den Neuzugang auffordernd an.
«Am 31. Oktober 2003 fand man hier eine tote Frau in einem ausgebrannten Auto.»
Die anderen richteten sich unbewusst ein wenig auf. Dies war eine interessante Nachricht. Womöglich sogar das Interessanteste, was während der Besprechung gesagt worden war.
Billy wandte sich Jennifer zu und hoffte, dass sie auf seinen fragenden Blick reagieren würde. Warum hatte sie ihm nicht davon erzählt? Er spürte eine gewisse Irritation in sich aufsteigen. Sie hatten gestern Abend nach der Teambesprechung noch eine knappe Stunde nebeneinandergesessen und gearbeitet, genau wie heute nach dem Frühstück. Den ganzen Vormittag. Wenn sie das Gefühl hatte, etwas beweisen zu müssen, ihren Platz im Team zu behaupten, weil sie trotz allem
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