Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
nach einer halben Stunde grünes Licht.
Ingrid war sehr zufrieden. Durch die Überführung dieses Mannes würde nicht allein die Aufklärungsquote ihres Dezernats verbessert. Auch die Medien würden berichten und damit all denen, die wie Valdemar Lithner glaubten, sie könnten ungeschoren davonkommen, ein deutliches Signal geben. Sie sollten wissen, dass das Dezernat zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität jederzeit zuschlagen konnte, selbst nach vielen Jahren. Sie sollten sich nie ganz sicher fühlen.
Ingrid rief ihre Mitarbeiter zusammen. Lithners Arbeit, seine Geschäfte, seine privaten Finanzen: All das würden sie von neuem durchforsten, jetzt, da sie wussten, wonach sie suchen mussten.
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V eronica Ström hatte keine Zeit.
Das hatte sie wirklich nicht.
Vor ihrem Umzug nach Nairobi im Februar musste sie noch unglaublich viel erledigen. Daher hatte sie keine Lust, in einem Café zu sitzen und so zu tun, als würde sie ihren Kaffee genießen, während sie auf Alexander Söderling wartete. Mit hektischen Bewegungen, die ihre Irritation verrieten, blätterte sie die vor ihr liegende Zeitschrift durch.
Das M-Magasin .
Vor einigen Wochen hatte eine Journalistin angerufen und um ein Interview gebeten. Veronica habe ja eine derart phantastische Karriere gemacht und scheine eine so inspirierende Frau zu sein, hatte die Dame gezwitschert. Sie sei eine Frau, über die ihre Leserinnen gern mehr wüssten.
Und wenn Veronica darüber nachdachte, stimmte das sogar. Nach dem Wirtschaftsexamen auf der Handelshochschule war sie nach Stationen bei Banken und Zeitungen bis in die Regierungskanzlei aufgestiegen, wo sie zunächst als Referentin im Presse- und Informationsbüro des Außenministeriums tätig gewesen war. Seit 2008 war sie Stabschefin im Verteidigungsministerium. Und jetzt würde sie bald als Botschafterin nach Kenia gehen.
Als die Anfrage kam, hatte Veronica noch nie etwas von der Zeitschrift gehört, dann jedoch im Internet danach recherchiert. Reportagen, Mode, Schönheit, Gesundheit, Reise, Finanzen und andere Tipps für die Generation Fünfzig plus. Veronica war sich nicht sicher, ob sie nicht ein wenig beleidigt sein müsste. Im Dezember wurde sie neunundvierzig. Sie hatte mit ihren Kollegen gesprochen, die jedoch alle der Meinung waren, das würde ihr ein gutes mediales Forum bieten. Also hatte sie zurückgerufen, und die Journalistin war beinahe geplatzt vor Freude über Veronicas Zusage. Das würde ganz wunderbar werden, hatte sie gejubelt, und sie hatten ein Treffen für die darauffolgende Woche vereinbart.
Aber jetzt hatte sie eine andere Besprechung.
Wo steckte dieser Söderling bloß?
Sein Anruf hatte sie überrascht. An die Ereignisse in Jämtland hatte sie schon seit Jahren keinen Gedanken mehr verschwendet. Das war ein abgeschlossenes Kapitel für sie. Söderlings Anruf hatte ihrer Meinung nach keinen Anlass zur Sorge gegeben. Die Leichen waren gefunden worden, nun gut. Aber die Gefahr, dass irgendjemand jemals die ganze Wahrheit herausfinden würde, war verschwindend gering. Das Telefonat war wie eine Fliege im Sommer gewesen: störend, aber leicht zu vertreiben.
Am Wochenende hatte er dann noch einmal angerufen. Sich mit ihr treffen wollen. Das bedeutete, dass sie doch ein Problem hatten.
Veronica sah sich in dem Raum um. Alexander hatte diesen Treffpunkt vorgeschlagen, ein altes Haus in der Riddargatan. Das Café erstreckte sich über mehrere Ebenen, mit schmalen Steintreppen dazwischen. Kleine Einheiten, die mit ihren bunt zusammengewürfelten Stühlen, alten Sofas und wackeligen Tischen sicher familiär und gemütlich wirken sollten, als wäre man bei jemandem zu Hause. Für Veronica waren die Räume jedoch einfach nur vollgestopft, staubig und altmodisch. Als würde man auf einem Trödelmarkt Kaffee trinken.
Dann sah sie, wie Alexander gestresst die Treppe heraufstürmte und in den nächstgelegenen Ecken suchte. Er entdeckte sie nicht sofort, was sie auch so beabsichtigt hatte. Eigentlich war es nicht weiter verdächtig, dass sie sich trafen, aber es musste sie auch nicht unbedingt jedermann sehen.
Nachdem Alexander sie begrüßt und sich für seine Verspätung entschuldigt hatte, setzte er sich. Er stellte seine Aktentasche auf dem Boden ab und beugte sich über den Tisch.
«Ich habe ziemlich viel nachgedacht … über die Ereignisse der letzten Tage», begann er sofort mit gedämpfter Stimme.
«Ich nicht», erwiderte Veronica kühl. «Wenn ich ehrlich
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