Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
weit gekommen?
Er war nicht kriminell, es war nur so verlockend gewesen. Ganz einfach. Er hatte eine Abkürzung genommen.
Ein erneutes Klingeln zerriss die Stille. Das Geräusch ließ Valdemar zusammenfahren. Die Tür. Wer wollte zu dieser Zeit hier jemanden antreffen? Normalerweise war doch tagsüber niemand zu Hause. Er öffnete die Tür, während er mit seinen Gedanken noch ganz woanders war. Doch schon im nächsten Moment deckten sie sich mit der Realität.
Er erkannte sie wieder.
Ingrid Ericsson vom Dezernat zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität.
Sie lächelte.
[zur Inhaltsübersicht]
N ach der Besprechung am Vormittag hatten alle zu tun. Billy sollte herausfinden, auf welchem Weg und wann Patricia Wellton ins Land gekommen war. Alle wussten, dass dies eine im besten Fall zeitaufwendige und im schlimmsten Fall unmögliche Aufgabe war. Wenn Patricia Wellton – wer auch immer sie war – mit dem Zug oder dem Auto eingereist war, hätten sie keine Chance, eine Spur zu finden. Aber sie mussten es wenigstens versuchen. Er bat Jennifer, ihm zu helfen. Das tat sie gern. Billy betonte, dass sie ihn nicht über alles, was sie eventuell fand, informieren müsste, und entschuldigte sich noch einmal für sein Verhalten. Sie winkte ab, alles kein Problem.
Sie setzten sich im leeren Restaurant gegenüber, mit je einem Telefon und einem Laptop ausgerüstet, und begannen systematisch bei null. Was wussten sie? Nicht viel. Eigentlich nur, dass Patricia Wellton am Morgen des 30. Oktober 2003 in Östersund einen Wagen gemietet hatte. Wie war sie in die Stadt gekommen? Am Flughafen Åre Östersund landeten ausschließlich Maschinen aus Schweden oder Norwegen, Patricia Wellton konnte also nur aus Oslo oder mit einem Inlandsflug oder mit der Bahn angereist sein. Sie beschlossen, ihre Suche zunächst in Schweden fortzusetzen, denn irgendwie musste die Frau ja ins Land gekommen sein. Also fingen sie mit den beiden größten Flughäfen an. Jennifer nahm sich den Stockholmer Flughafen Arlanda vor, Billy Göteborgs Landvetter.
Ehe sie loslegten, holten sie sich in der Küche eine Thermoskanne mit Kaffee und kramten eine Rolle Schokoladenkekse aus dem Schrank hervor. Auf einer Liste, die auf dem Küchentresen lag, trugen sie ein, was sie sich genommen hatten. Ein System, das Mats und Klara am ersten Abend eingeführt hatten. «Bedient euch, wie ihr wollt, aber schreibt es auf.»
Wieder zurück im Restaurant, schenkten sie sich einen Kaffee ein und sahen sich über den Tisch hinweg an. Billy seufzte leise.
«Okay. Dann mal los.»
Sie prosteten sich mit den Tassen zu und begannen, sämtliche Fluggesellschaften zu kontaktieren, die am 30. Oktober und in der Woche zuvor Stockholm oder Göteborg angeflogen hatten, um Zugang zu den Passagierlisten zu erhalten. Dafür mussten sie zahlreiche bürokratische Hürden überwinden. Wenn es gelänge, würden sie Listen mit Tausenden von Namen erhalten, aber es bestand auch die Gefahr, dass die Daten gar nicht mehr existierten.
«Was für eine Sisyphosarbeit», sagte Jennifer und lächelte Billy über ihren Laptopbildschirm hinweg an.
«Aber wirklich», antwortete Billy und lächelte zurück. Er wusste nicht genau, was oder wer Sisyphos war, irgendeiner aus der griechischen Mythologie vermutlich, aber er hatte auch nicht vor, Jennifer danach zu fragen.
Torkel wollte in Erfahrung bringen, ob ihm jemand in den USA dabei helfen konnte, Patricia Welltons wahre Identität aufzudecken. Der Führerschein, den sie verwendet hatte, sah ziemlich echt aus, soweit er das anhand der Kopie der Autovermietung beurteilen konnte. Eine professionelle Fälschung. Im Idealfall hatte sie diesen Decknamen schon einmal verwendet, dann könnten ihm die amerikanischen Behörden vielleicht helfen, ihren richtigen Namen herauszufinden. Vorausgesetzt, sie war tatsächlich Amerikanerin. Natürlich gab es auch die Möglichkeit, dass sie aus einem anderen Land kam und sich eines amerikanischen Passes bediente. Aber an irgendeinem Punkt musste er schließlich anfangen.
Für Torkel allein war es zu kompliziert, die entsprechenden Kollegen in den USA zu finden, die für ihn recherchieren konnten. Deshalb nahm er Kontakt mit der IPO auf, der Einheit für Internationale Polizeiliche Zusammenarbeit bei der Landeskriminalpolizei. Börje Dahlberg nahm den Anruf entgegen. Torkel kannte ihn gut, und nachdem sie einige kurze Sätze über den Job und das Privatleben gewechselt hatten, was in Torkels Fall
Weitere Kostenlose Bücher