Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
Schweiß aus.
Nicht auszudenken, wenn es um Wirtschaftskriminalität ging. Sie mussten ziemlich prompt reagiert haben, wenn sie an das belastende Material gekommen waren, dass Trolle Hermansson vor einigen Monaten über Valdemar ausgegraben hatte. Auf Sebastians Anweisung hin. Damals, als er noch fest entschlossen war, die Beziehung zwischen Valdemar und Vanja zu zerstören. Material, das zu entsorgen er Ellinor gebeten hatte. Was sie angeblich auch getan hatte. Aber für Ellinor war die Wahrheit ein relativer Begriff.
Hatte sie womöglich auf eigene Faust gehandelt?
War Valdemar deshalb festgenommen worden?
Aber warum sollte sie das getan haben?
Weil Ellinor eben Ellinor war. Plötzlich kam ihm das ganz und gar nicht unwahrscheinlich vor. Jetzt fiel ihm ein, dass sie ihn einmal nach Valdemar gefragt hatte. Aber wusste sie auch etwas von Vanja? Sebastian überlegte, ob in Trolles Dokumenten irgendetwas über sie gestanden hatte.
Er konnte sich nicht erinnern.
Im Idealfall hatte Ellinor das Material anonym übergeben. Es der Polizei mit der Post geschickt. Oder es hingebracht, ohne ihren Namen zu nennen.
Im Idealfall.
Immerhin handelte es sich um Ellinor. Sebastian wagte es nicht, von einem Idealfall auszugehen. Wahrscheinlicher war vielmehr, dass sie sich nicht nur ausgewiesen hatte, als sie die Unterlagen abgegeben hatte, sondern auch noch stolz auf das war, was sie erreicht hatte oder erreichen würde. Wenn dies der Fall war – konnte ihm das schaden? Würde Vanja davon erfahren? Vermutlich nicht. Natürlich war Vanja eine Polizistin und Kollegin, aber es wäre dennoch ein Dienstvergehen, die Namen von Informanten in einer Ermittlung an Dritte weiterzugeben.
«Du bist so still.»
Vanjas Stimme holte Sebastian wieder in die Realität zurück.
«Ja … Ich habe überlegt, wie ich dir helfen könnte. Immerhin kenne ich doch ziemlich viele Leute bei der Polizei.»
«Danke, aber ich will nicht, dass du da mit hineingezogen wirst. Das müssen wir wohl allein durchstehen.»
Sie wandte sich wieder von ihm ab. Sah durch das kleine Fenster, über die Wolken, die an eine hügelige Eislandschaft erinnerten.
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A us persönlichen Gründen.
Vanja hatte das Ermittlerteam aus persönlichen Gründen verlassen.
Ursula riss das Lenkrad heftig herum und bog auf die kleinere asphaltierte Straße ab, der sie dem GPS zufolge nun 1,2 Kilometer folgen sollte, ehe sie wieder nach links abbog. Eigentlich war ihre Wut unbegründet, aber das machte sie trotzdem nicht weniger real. Ihr Mann hatte sie verlassen, und ihre Tochter verstand ihn voll und ganz.
Waren das etwa keine persönlichen Gründe?
Gab es da nicht auch vieles, was noch zu klären wäre?
Ja, natürlich. Und niemand hätte dafür mehr Verständnis als Torkel, wenn er es wüsste. Aber der Unterschied zwischen Ursula und Vanja bestand eben darin, dass Ursula nichts erzählte und dass sie arbeiten wollte. Nichts lieber als das. Aber nicht ausgerechnet an diesem Fall.
Torkel hatte sie aus dem Fjäll herbeigerufen, wo sie gerade gemeinsam mit lokalen Fachkräften minutiös den Fundort durchkämmt hatte. Ein Großteil der Erde und des Kieses war durchgesiebt und untersucht worden, aber man hatte nichts gefunden, was für die Ermittlungen von Bedeutung hätte sein können. Dann war der Bagger angekommen, und Ursula hatte gezeigt, wo mit dem Graben begonnen werden sollte. Seither hatte sie ihn dreimal umdirigiert, ohne Ergebnis. In diesem Moment brachte der eigentliche Fundort also die wenigsten Resultate, und es war richtig gewesen von Torkel, sie anderweitig einzusetzen. Aber wütend machte es sie dennoch. Es war Vanjas Aufgabe, auf irgendwelche Schrottplätze zu fahren und die Männer vom Abschleppdienst zu alten Autounfällen zu befragen.
Jennifer und Billy waren immer noch damit beschäftigt, herauszufinden, wie Patricia Wellton nach Schweden gekommen war. Torkel stand mit den Kollegen von Europol und Interpol in Kontakt. Jede der Organisationen durchforstete ihre Archive nach vermissten Familien oder zwei Erwachsenen und zwei Kindern in unterschiedlichen Konstellationen, die im Herbst 2003 verschwunden waren. Bisher hatte man Torkel über drei denkbare Fälle informiert, die er jedoch allesamt schnell zu den Akten legen konnte.
Torkel selbst war auch ein Problem und, wie Ursula sich eingestehen musste, ein zusätzlicher Quell der Irritation. Er wollte, dass sie zu ihm kam. Alles sollte wieder so sein wie früher, wenn sie außerhalb von
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