Die Toten, die niemand vermisst: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
Ermittlung hatte niemand irgendein Interesse für ihn gezeigt, wenn man von einer kurzen Befragung am Straßenrand absah, bei der er wahrheitsgemäß ausgesagt hatte, dass er vorbeigekommen sei, den Rauch gesehen, angehalten und das Auto im Graben entdeckt habe. Harald hatte nie etwas anderes gehört, als dass es sich um einen Unfall gehandelt hatte. Aber jetzt tauchte die Reichsmordkommission auf. Die mit Unfällen nichts zu tun hatte. Sondern mit Morden. War die Frau im Auto ermordet worden? So musste es sein. In diese Sache durfte er nicht hineingeraten. Er vermutete, dass die Polizei in einer Mordermittlung etwas mehr Druck machte als im Fall eines geklauten Motorschlittens, den die Versicherung sowieso ersetzte. Wenn sie etwas fanden, das ihn mit dem Unfall – dem Mord – in Verbindung brachte, würden sie alles durchsuchen.
Dann wäre es aus.
Dann würden sie die Kammer finden.
Dann bliebe ihm nichts mehr.
Also musste er dafür sorgen, dass sie auf keinen Fall etwas fanden. Ganz einfach.
Dennoch zögerte er.
Er hatte kein ganz gutes Gefühl dabei, etwas zu zerstören, das der Polizei womöglich helfen konnte, einen Mord aufzuklären. Obwohl er sich immer am Rande der Legalität bewegte, war er kein unmoralischer Mensch. Ein bisschen Hehlerei war eine Sache. Er gab nie etwas in Auftrag. Ermutigte nie zur Kriminalität. Er verdiente lediglich daran, wenn der Schaden schon entstanden war. Und wenn er es nicht täte, würde es jemand anders tun. Es war ein Geschäft. Jemanden umzubringen, war etwas ganz anderes.
Aber wenn sie den Mörder der Frau in dem Auto schon so lange suchten, war es doch wohl sehr unwahrscheinlich, dass sie ihn jemals fassten. Da gaben die Dinge, die Harald in dem ausgebrannten Auto gefunden hatte, garantiert auch keinen Ausschlag mehr.
Also traf er eine Entscheidung, stellte das Glas in die Spüle und verließ die Küche. Er wusste genau, wo die Rucksäcke und die Handtasche lagen. Zeit für ein Feuerchen.
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D ie Sicherheitshinweise. Identisch mit denen auf dem Hinflug. Dann rollte die Maschine auf die Startbahn, erhöhte das Tempo und hob vom Boden ab. Vanja saß am Fenster und betrachtete die schrumpfende Stadt dort unten. Sebastian beobachtete sie aus dem Augenwinkel. Zu behaupten, dass sie sich über seine Begleitung gefreut hatte, war vielleicht übertrieben, aber sie hatte akzeptiert, dass er mit ihr nach Stockholm flog. Natürlich wollte sie wissen, weshalb. Sebastian wiederholte das, was er auch Torkel gegenüber gesagt hatte. Dass er ganz einfach aus diesem verdammten Fjäll wegwollte.
Billy hatte sie nach Östersund gefahren. Auch er hatte sich nach dem Anlass für Vanjas Abreise erkundigt, aber sie sagte nur, es hätte familiäre Gründe. Billy hatte nicht weiter nachgefragt, aber Sebastian hatte sich eingebildet, bei Billy eine gewisse Enttäuschung darüber zu bemerken, dass Vanja sich ihm nicht anvertraute. Überhaupt stellte Sebastian fest, dass sich die Beziehung der beiden merklich verändert hatte. Etwas war passiert, als sie zusammen an dem Hinde-Fall arbeiteten, so viel stand fest. Sebastian hatte keine Ahnung, was es gewesen sein könnte, aber es schien sie noch immer zu beschäftigen.
Billy hatte sie in die Abflughalle begleitet, obwohl Vanja gesagt hatte, es sei nicht nötig. Sebastian hatte das Gefühl, dass Billy es deswegen erst recht tat. Nachdem sie eingecheckt hatten und Vanja auf dem Weg zur Toilette war, hatte Billy sich unmittelbar an Sebastian gewandt.
«Aber warum fliegst du mit ihr zusammen?»
Sebastian bemerkte seinen Tonfall, der ein wenig misstrauisch klang. Und die Wortwahl ließ darauf schließen, dass Billy vermutete, Sebastians Verhalten hätte in irgendeiner Weise mit Vanja zu tun. Dass sie zusammen reisten, nicht etwa gleichzeitig.
«Das tue ich nicht», antwortete Sebastian. «Wir nehmen nur denselben Flug.»
«Warum?»
«Ist doch schön, wenn man ein bisschen Gesellschaft hat.»
Billy warf ihm einen genervten Blick zu und seufzte, als spräche er mit einem kleinen Kind.
«Ich meine, warum steigst du jetzt plötzlich auch aus der Ermittlung aus? Wenn es nichts mit Vanja zu tun hat?»
Sebastian presste erneut den Satz hervor, der innerhalb kurzer Zeit zu seiner Standardantwort auf diese Frage geworden war. Es war jedoch zu bezweifeln, dass Billy ihm glaubte.
Aber der war schon einen Schritt weiter: «Hat sie dir etwas darüber erzählt, was passiert ist?»
«Vanja?»
«Ja.»
«Nein. Nichts.»
Diesmal
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