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Die toten Frauen von Juárez

Die toten Frauen von Juárez

Titel: Die toten Frauen von Juárez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hawken
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wollte sie Miesepetern einbleuen, die Schönheit der Wüste nur ja nie wieder zu unterschätzen.
    Los Campos sah aus, wie Enrique es beschrieben hatte, zuerst der lange schmiedeeiserne Zaun, dann das Torhaus mit den bewaffneten Wachen. Die Männer besaßen einen sandfarbenen Hummer mit Blaulicht auf dem Dach, wie bei einem Polizeifahrzeug, aber ohne Kennung. Sevilla glaubte, in einer der Wachen einen ehemaligen Polizisten aus den Reihen der städtischen Polizei zu erkennen, doch der Mann kannte ihn offenbar nicht, und so tat Sevilla seine Vermutung als Irrtum ab.
    Sie riefen Madrigals Wachpersonal vom Torhaus an und ließen sich Sevillas Einladung bestätigen. Zu dieser frühen Stunde beherrschte noch ein Rest der Dämmerung den Horizont im Osten und tauchte die Eichen dort in orangefarbene und hellrote Töne. Sevilla entspannte sich am Lenkrad. Er trug leichte Kleidung für ein morgendliches Golfspiel. Die Schläger lagen im Kofferraum.
    »Guten Morgen,
Señor «
, sagte der befehlshabende Wachmann zu Sevilla, als er den Telefonhörer aufgelegt hatte. Das Tor ging langsam auf. Die Straße dahinter war makellos, schwarz und glatt, ohne eine Unebenheit, als wäre sie gestern erst asphaltiert worden. In der Stadt gab es Schlaglöcher, in denen ein ganzes Auto hätte verschwinden können. »Fahren Sie durch. Kennen Sie den Weg?«
    »Bitte beschreiben Sie ihn mir«, antwortete Sevilla, worauf ihm der Mann eine gedruckte Karte gab. Er zeichnete Sevillas Route mit einem grünen Filzstift ein. Kaum hatte der Lexus das Tor passiert, wurde es wieder geschlossen. Sevilla befand sich im Inneren.
    Die makellose Straße führte in die Hügel und durch eine weite Grünfläche mit Rasensprengern, die in der Erde versenkt waren. Der Sonnenaufgang hielt die Wassertropfen in der Luft fest und verlieh ihnen das Aussehen von Bäumen mit silbernen Ästen und weißem Laub. Dann hatte Sevilla sie hinter sich gelassen.
    Eigene Tore mit bewaffneten Wachtposten grenzten die Zufahrten zu einigen Anwesen ab. In fast ganz Mexiko, und teilweise auch jenseits der Grenze, galt Entführung als eine eigene Form des Broterwerbs. Am schlimmsten traf es die Kinder der Reichen mit ihren starren Fahrzeiten von und zur Schule, und auch wenn sie meist durch eine ganze Phalanx von Leibwächtern beschützt wurden, kam es immer wieder zu Entführungen. Sevilla dachte zurück, wie er vor Jahren das erste Mal den Ausdruck »Kidnapperversicherung« gehört hatte. Damals hatte er gelacht. Heute lachte er nicht mehr.
    Die Zufahrt zu Madrigals Anwesen wies kein eigenes Tor auf, doch Sevilla sah Kameras zwischen den Bäumen, während er rechts, links und wieder rechts den serpentinenförmigen Weg hinauffuhr. Hier gab es keine geraden Straßen, keine überschaubaren Kurven; das erschwerte es Eindringlingen mit Fahrzeugen hinein- und wieder hinauszugelangen.
    Das Haus selbst lag malerisch zwischen Bäumen, auf drei Seiten von einem grünen Rasen und Rabatten mit bunten Blumen umgeben. Der Architekt hatte mit dem weißen Kalkstein aus der Region und stattlichen Säulen Akzente gesetzt. Als Sevilla anhielt, sah er, wie ihn jemand hinter einem der großen Fenster an der Vorderseite des Hauses beobachtete, doch als er nahe genug kam, um deutlicher zu sehen, verschwand die Gestalt.
    Ein Diener und zwei Leibwächter kamen heraus. Einer holte die Schläger aus dem Kofferraum, der andere bot an, den Wagen zu parken. Sevilla wäre jede Wette eingegangen, dass sie das Auto durchsuchten, aber siewürden nichts finden; seine Waffe hatte er im Hotelsafe gelassen, selbst die Mietunterlagen bewahrte er anderswo auf.
    »Señor Madrigal erwartet Sie«, teilte der Diener Sevilla mit. Er trug ein Jackett, obwohl sich schon jetzt abzeichnete, dass es ein heißer Tag werden würde. Im Haus dagegen war es so kühl, dass Sevilla es fast unangenehm fand und bedauerte, dass er zu dem Spiel nur kurze Hosen angezogen hatte.
    Madrigal und Sebastián warteten in einem Wintergarten gleich neben einer Küche, die einem Restaurant zur Ehre gereicht hätte. Das Glas war so geneigt, dass es das Gleißen der aufgehenden Sonne weitgehend abfing, ohne das Licht der Dämmerung zu beeinträchtigen. Obst, Toast und Fleisch auf Porzellan und Silber warteten nur darauf, dass Sevilla sich daran gütlich tat. Orangensaft, Grapefruitsaft und Kaffee rundeten das Angebot ab. Er entschied sich für Kaffee.
    »Wenn Sie etwas nicht finden, bereitet Arturo es Ihnen gern zu«, sagte Madrigal. Er zeigte auf den Diener,

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