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Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition)

Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuliano Pasini
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aufhören, Fragen zu stellen, bevor ich nicht die Wahrheit herausgefunden habe. Verstanden?«
    Alver befreit sich mühelos aus seinem Griff. Er senkt die Stimme, um nicht von den wenigen Gästen gehört zu werden. »Sie sind zäh, comisàri . Aber in vier Jahren haben Sie wirklich nichts über uns verstanden. Glauben Sie, Sie könnten jetzt damit anfangen? Und dann, was gibt’s da schon groß rauszufinden? Guerzoni hat doch einen Brief hinterlassen.«
    »Vielleicht hat er ihn nicht selbst geschrieben.«
    Alver starrt ihn weiterhin mit Ochsenaugen an. Dann antwortet er auf Robertos Frage, als hätte er sich jetzt erst wieder daran erinnert. »Ich habe gearbeitet wie immer, als das Gerücht aufkam, es wären Leichen am Prà grand gefunden worden.«
    »Gerüchte kursieren nicht von allein, es braucht jemanden, der sie in Umlauf bringt. Wer war das?«
    Der Wirt fängt an, ein Glas zu polieren, als wäre das jetzt das Dringendste. »Wer weiß das schon. Am Ersten des Jahres waren nur meine Mutter und ich hier in der Wirtschaft, der Bürgermeister und dieser Schreiberling, Bondi.«
    »Und Rende?«
    »Der ist in Ordnung, für einen Sizilianer.«
    »Mach mich nicht noch wütender, als ich es schon bin. Rende war nicht in der Wirtschaft?«
    Alver betrachtet das Glas gegen das Licht. »Jetzt, wo ich genauer darüber nachdenke – ja, er ist gekommen, um einen Espresso zu trinken. Aber der Erste, der zu seinem Schrotthaufen gerannt ist, um zum Prà grand zu fahren, war Bondi. Ein Aasgeier.«
    »Wenn er ein Aasgeier ist, was bist dann du? Du bist doch direkt nach ihm losgefahren!«
    Das Glas zerbricht, und in der großen Hand des Wirtes öffnet sich ein Schnitt, aus dem dickes, dunkles Blut quillt. Er drückt den Lappen auf die Wunde, mit dem er eben noch das Glas poliert hat.
    »Das war meine Mutter. Ab einem gewissen Alter wird man wieder zum Kind. Man glaubt, dass die Märchen wahr sind, genau wie Sie das tun.«
    »Deine Mutter hat mehr im Kopf als du, Alver. Und sehr viel mehr gesunden Menschenverstand. Sag ihr, dass sie noch heute aufs Kommissariat kommen soll.« An der Tür dreht er sich noch einmal um. »Setz den Kaffee auf die Liste zu dem Essen von gestern Abend.«
    Vor der großen Tür des Kommissariats bleibt Roberto stehen. Er blickt zu der des Rathauses direkt daneben. Unter der Jacke spürt er das schweißnasse Hemd auf der Haut kleben, die Erschöpfung nach dem Lauf umgibt ihn mit ihrem sauren Geruch. Nicht ganz der Zustand, in dem man den ersten Bürger des Ortes aufsuchen sollte, nicht einmal in einem Dorf mit weniger als tausend Einwohnern.
    Warum denn nicht? Mein Fall existiert ja gar nicht. Es gibt nichts Offizielles an dem, was ich mache. Mit dieser Einstellung wendet er sich der Treppe zu Luigi Raimondis Büro zu. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, rennend, wobei er die Rufe der Alten ignoriert, die den Kopf aus dem Einwohnermeldeamt steckt.
    Er klopft an die dunkle Holztür. Tritt ein, ohne die Antwort abzuwarten. Der Bürgermeister sitzt an einem großen Schreibtisch. Er lächelt, es ist nicht klar, ob zur Begrüßung oder wegen seines seltsamen Aufzugs. Er greift zur Krücke und steht auf, um ihm die Hand entgegenzustrecken.
    »Meine Tür ist immer offen für meine Mitbürger«, fängt er an. Ihr letztes, stürmisches Aufeinandertreffen steht freilich zwischen ihnen. »Ein Glück, dass diese schreckliche Geschichte zu Ende ist«, fährt er fort.
    Genau das, was Roberto sich erhofft hatte. »Vor zwei Tagen waren Sie noch überzeugt davon, dass der Mörder unmöglich einer di nòster sein könne. Jetzt, wo der Schuldige gefunden ist und aus Case Rosse ist, ist Ihnen das aber auch nicht unrecht. Seltsam.«
    »Verstehen Sie mich nicht falsch, Commissario. Die Dorfgemeinschaft hat die Nachricht, dass eines ihrer Mitglieder sich mit einem Verbrechen von solch unerhörter Grausamkeit befleckt hat, sehr schlecht aufgenommen.«
    Robertos Geduld ist am Ende. Keine Nachsicht mehr für niemanden. Für mich hat auch keiner welche. »Ich bin nur stellvertretender Kommissar. Und Sie, sparen Sie sich Ihre Politikerphrasen für die nächsten Wahlen auf. Erklären Sie mir lieber, warum Guerzoni Sie sofort angerufen hat, nachdem er die Leichen entdeckt hat.«
    Die Überraschung ist nicht zu übersehen. Raimondi bricht der Schweiß aus. Sein sorgfältig getrimmter Schnurrbart zittert. Im Boxring würde der Schiedsrichter ihn jetzt anzählen. Er stammelt. »Guerzoni hat mich nie angerufen.«
    »Die Protokolle sagen

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