Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition)
Priester hatten, bei dem er beichten konnte. Der von Case Rosse war geflohen. Von dem, der gerade erst in Zocca eingetroffen war, hörte man zwar viel Gutes, aber es war zu weit weg.
Als die Dunkelheit vollständig war, setzten sie sich in Bewegung. Sfregio, der Professore, Briscola und Tabacco postierten sich im Schutz der schneebedeckten Bäume an dem Hang über dem Pfad der Buße, der direkt vor der Ortschaft begann. Aus den Fenstern der Osteria, den einzigen erleuchteten, drangen schmutzige Lieder von Betrunkenen, teils auf Deutsch, teils im Dialekt.
»Die wissen nicht, dass Gino damit angibt, den Invasoren ein Destillat zu servieren, dessen Ausgangsmaterial direkt aus dem schwarzen Brunnen stammt, sonst würden sie nicht so singen«, flüsterte der Professore, wurde aber mit einer eindeutigen Geste von Briscola zum Schweigen gebracht.
Sfregio war sicher, dass er Zanarinis Stimme heraushören konnte: Er feierte nur wenige Meter vom Leichnam des alten Succi entfernt. Er schwor, dass er ihm diese Lieder wieder in den Hals zurückstopfen würde.
Bis nach Mitternacht mussten sie der eisigen Kälte trotzen, dann gingen die Lichter mit einem Mal aus. Einen Augenblick später stellte eine unsichtbare Hand eine angezündete Kerze vor ein Fenster. Sie waren alle angespannt und verängstigt, bemühten sich jedoch, es sich nicht anmerken zu lassen. Sfregio sah den Professore an, der ihm zuzwinkerte. Tabacco stieß einen Pfiff aus, um Rosso und Assenzio, die vor der letzten Kurve postiert waren, das Zeichen zu geben, dass sie freie Bahn hatten.
Aus dem Versteck der Kameraden blitzte der Schein eines Feuers auf, das anfing, sich auf das Dorf zuzubewegen, begleitet von panischem Wiehern. Was sie da opferten, war vermutlich das letzte Pferd, das es noch in Case Rosse gegeben hatte.
Sie stiegen den Hang bis zur Außenmauer der Osteria hinauf. Während sie den kurzen Abschnitt des Pfades entlanggingen, donnerten die Geräusche ihrer Schritte wie Kanonenschläge in ihren Ohren. Das Fenster war offen, wie von Gino versprochen. Sie kletterten auf das eineinhalb Meter höher liegende Fensterbrett. Vorsichtig betraten sie den Raum, als befürchteten sie einen Hinterhalt, obwohl sie wussten, dass das Lokal verlassen war.
Kaum waren sie drin, löschten sie die Kerze. In der Luft hing noch der Geruch von Alkohol und Tabak. Einer hinter dem anderen huschten sie am Tresen entlang und erreichten in wenigen Schritten die Vordertür. Sfregio stieß sie einen Spalt weit auf und erblickte die Panzer, die kaum mehr als fünfzehn Meter entfernt standen. Der Mond, der sich in dem Stahl spiegelte, ließ sie noch bedrohlicher aussehen. Er beleuchtete auch den steif gefrorenen Leichnam des armen Remo Succi.
Die Stille wurde nur von den Stimmen der Wachtposten unter dem Torbogen durchbrochen. Sie unterhielten sich aufgeregt auf Deutsch. Plötzlich rannten sie in Richtung des Feuerscheins los.
Die Piazza lag verlassen da. »Jetzt!«, gab Sfregio das Zeichen.
Alles ging schnell. Über den von vielen Füßen festgetretenen Schnee rannte jeder an seinen Platz. Tabacco lehnte die aus der Osteria mitgenommene Leiter an die Mauer, um den Strick durchzuschneiden, an dem der Leichnam baumelte. Briscola legte ihn sich über die Schulter. Als sie wieder in das Lokal kamen und aus dem Fenster kletterten, waren drei Minuten vergangen.
Sfregio nutzte die Zeit, um mit einem Stück Kohle ein großes Ypsilon an eine der Säulen des Bogengangs zu malen. Hinter dem Torbogen waren zwei Schüsse zu hören, dann hörte das Pferd auf zu wiehern. Die Wachtposten mussten es erschossen haben. Sie mussten sich beeilen.
Die beiden Panzer ragten drohend auf wie schlafende Ungeheuer. Sfregio und der Professore sprangen auf die Ketten. Sie zogen den Sicherheitssplint der Handgranaten und öffneten gleichzeitig die oberen Luken, die zum Innenraum führten, und warfen sie hinein.
Beide sahen sich einem Paar weit aufgerissener Augen gegenüber, die ihnen dumpf vom Alkohol entgegenstarrten.
»Da ist jemand drin!«, rief der Professore viel zu laut.
»Weg da, weg da!«, schrie Sfregio. Sie hatten nur noch wenige Sekunden.
Das Schicksal nahm seinen Lauf. Eilig brachten sie die wenigen Schritte hinter sich, die die Osteria von den Panzern trennte, die gleich explodieren würden, zusammen mit denjenigen, die sie sich als Ort ausgewählt hatten, um ihren Rausch auszuschlafen.
Einer der italienischen SS -Leute war kurz zuvor aufgestanden, um seine Blase zu entleeren.
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