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Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition)

Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giuliano Pasini
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Valerio auf dem Arm trug, während Renatino sich an eines ihrer Beine klammerte. Sie sahen eingeschüchtert aus, aber es schien, als hätte man ihnen noch nichts angetan.
    Ein Soldat verließ mit einem Maschinengewehr im Anschlag das Dorf. Die Gefangenen drängten sich zusammen. Jemand fing zu weinen an. Sie stöhnten und sie beteten. Eine Frau schrie.
    Der Soldat zielte in die Luft. Er gab drei Salven ab. Sekundenlang Stille, dann weitere drei. Das Zeichen. Sie hatten angenommen. Doch keine Geisel wurde gehen gelassen, im Gegenteil, es kamen weitere Soldaten herbei, um sie zu umzingeln.
    Sfregio begriff nicht, was da vor sich ging, aber er hatte Angst, dass sich irgendjemand zu einer Verzweiflungstat hinreißen lassen und so eine Reaktion der Deutschen auslösen könnte. Vielleicht die wilde Veronica, auf deren Gesicht ein grimmiger Ausdruck lag, während sie die anderen Mitglieder der Familie tröstete.
    »Warum lasst ihr sie nicht frei, ihr Mistkerle«, flüsterte er und unterdrückte den Wunsch, es laut hinauszuschreien.
    Ein Mann in SS -Uniform trat aus dem Bogen. Sfregio drückte sich das Fernglas an die Augen, bis es schmerzte. Am ganzen Körper angespannt, beobachtete er, wie der andere sich ein Megafon an den Mund hielt. Auf dem Kragen der Uniform und an der Mütze die unverwechselbaren Totenköpfe. Jener Mann war Enrico Zanarini, der Henker.
    »Ferri Francesco, ich weiß, dass du mich hören kannst oder dass irgendjemand dir berichten wird, was ich dir jetzt sage. Trotz deiner niederträchtigen Fahnenflucht und des grausamen Anschlags auf das Kommando, das ich anführe, und somit auch auf den Führer des Dritten Reiches, habe ich beschlossen, das Leben der Gefangenen zu verschonen.«
    Ein Murmeln erhob sich aus der Gruppe. Kaum einer hatte gehofft, wieder nach Hause zurückzukehren.
    »Auch wenn die Versprechen eines Kriminellen keine Garantie bieten, werden wir sofort siebenunddreißig von ihnen entlassen. Wir werden deine Frau und deine Söhne behalten. Innerhalb von fünfzehn Minuten wirst du uns entgegenkommen, unbewaffnet und mit erhobenen Händen. Dann werden wir auch sie freilassen. Wenn du irgendeinen Trick versuchst, werden sie genau da hingerichtet, wo sie gerade stehen, und ebenso, wenn du die Frist nicht einhältst. Das Angebot ist nicht verhandelbar.«
    Er senkte das Megafon und gab ein barsches Zeichen. In der Mauer der Soldaten, die mit im Anschlag gehaltenen Waffen die Gefangenen umringten, öffnete sich ein Durchgang. Der Erste, der herauskam, war Gino. Er machte ein paar unsichere Schritte und blieb dann stehen, um auf seine Frau zu warten. Argìa schien in den Armen ihres Mannes zu verschwinden.
    Einer nach dem anderen kamen sie heraus. Mager und abgerissen gingen sie in einer Reihe schweigend die Straße entlang. Aus seinem Versteck heraus beobachtete Sfregio sie, mit gemischten Gefühlen. Er erkannte Erminia Succi an der Hand ihrer Mutter. Veronica, mit der er nie wieder jene so einfache und intime Geste würde teilen können, kam als Letzte heraus, nach Pia, Anna und Efrem. Ihr Gesicht zeigte ihre Stärke. Ihre Augen suchten ihn überall.
    »Fünfzehn Minuten«, brüllte Zanarini, als nur noch Serena, Renatino und Valerio von den grauen und schwarzen Uniformen umgeben waren. Er fing an, auf und ab zu gehen und immer wieder auf seine Taschenuhr zu sehen.
    Sfregio empfand ein quälendes Verlangen danach, seine Frau und seine Söhne in die Arme zu nehmen. Er hasste sich dafür, dass er das Leben der Menschen, die er am meisten liebte, in die Hand eines blutrünstigen Irren gelegt hatte. Sein Leben war ihm nicht wichtig, er hatte es in dem Augenblick verloren, in dem er den Austausch vorgeschlagen hatte. Oder vielleicht auch schon, als er dem Soldaten im Schatten der Säule in die Augen gesehen hatte. Er lächelte bei dem Gedanken. Ein leeres Lächeln, gefroren. Das eines toten Mannes.
    Ohne das Verstreichen der ihm zugestandenen Frist abzuwarten, verließ er sein Versteck aus dem schrecklichsten und bedingungslosesten Beweggrund, den man haben konnte: Es gab keine Alternative. Er ging mit hoch erhobenem Kopf und sicherem Schritt über den gefrorenen Schnee zu der Kurve. Seine Frau und seine Kinder sollten nur die allerbeste Erinnerung an jenen Moment haben, in dem sie ihn zum letzten Mal lebend sahen.

8
    S fregio hörte, wie Waffen angelegt wurden. Die Deutschen hatten ihn ins Visier genommen. Er erhob die Hände über den Kopf. Das Gewehr und der Wehrmachtsmantel waren bei den Kameraden

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