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Die toten Mädchen von Villette

Die toten Mädchen von Villette

Titel: Die toten Mädchen von Villette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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Wastiafestgenommen worden war. Er arbeitete in Forvils Lohnbüro und behauptete, er sehe es als seine Aufgabe, die Gerechtigkeit in die eigenen Hände zu nehmen, weil er ein Cousin zweiten Grades von Peggy Bertrands Freund war.
    – Okay, sagte Julie mit einem Seufzer, ein Bier, aus Prinzip. Aber es gefällt mir nicht.
    Jean-Pierre nahm ihr schweres Netz und überquerte mit langen Schritten den Markt, so daß Julie hinter ihm zurückblieb. Sie sah seinen dunklen Kopf und seine breiten Schultern vor sich das Marktgewimmel durchpflügen.
    Aber plötzlich blieb er jäh stehen. Julie holte ihn schnell ein, während ihr das Herz bis zum Hals schlug, und sah, wie er wie festgefroren vor einem Mann mittleren Alters mit glatten, dunklen Haaren und dunklen Augen stand – Joël Bertrand, der Vater der ermordeten Peggy und Nadia.
    – Monsieur Bertrand, sagte Jean-Pierre mit unsicherer Stimme, es tut mir so leid, was Peggy und Nadia passiert ist. Aber ich war es nicht, Sie müssen mir glauben!
    Joël Bertrand sah aus, als sei er geschrumpft, seit Julie ihn in der Mordnacht in der Küche in Givray gesehen hatte. Er hatte ein kariertes Flanellhemd an, viel zu warm in der brennenden Junisonne, aber er hatte es bis zum Hals zugeknöpft, als spüre er die Kälte in der Leichenhalle, in der seine beiden Töchter noch lagen. In der Hand hielt er eine Plastiktüte mit einem fertig gegrillten Hähnchen.
    Er wandte Jean-Pierre langsam seine rotunterlaufenen Augen zu.
    – Ich glaube dir, Jean-Pierre, sagte er schwer, ich konnte sowieso nie glauben, daß du es warst.
    Seine Stimme klang heiser und rauh, als habe er sie seit langem nicht benutzt.
    – Danke, flüsterte Jean-Pierre, und Julie sah, daß er sichentspannte, während gleichzeitig die Marktbesucher, die sich um sie versammelt hatten, sich zerstreuten, als sie begriffen, daß es keinen Auftritt geben würde.
    Die Blicke der beiden Männer begegneten sich in einem Moment stummen Verständnisses, und Jean-Pierre machte einen Schritt vorwärts.
    – Aber ich hätte zumindest Nadia nach Hause fahren müssen, wie ich ursprünglich vorhatte, rief er aus, ich hätte nicht so sauer werden dürfen, es war doch meine Schuld!
    Joël Bertrand sah auf den Boden und wog teilnahmslos das gegrillte Hähnchen in der Hand. Er schüttelte den Kopf.
    – Deine Schuld, meine Schuld, sonst jemandes Schuld … Ich liege nachts wach und denke, ich hätte Nadia mit nach Hause nehmen sollen, dann hätte sie heute noch gelebt, und Peggys Freund Denis meint, es war seine Schuld, weil er nicht in Villette geblieben ist, um die Mädchen abends nach Hause zu fahren. Aber all das spielt keine Rolle. Das einzige, was wichtig ist, ist, daß meine Mädchen tot sind und nie mehr zurückkommen. Wenn ich morgens aufwache, spitze ich immer noch die Ohren, um zu hören, ob es Peggy oder Nadia vor mir ins Bad geschafft haben, und dann komme ich darauf, daß wir nie mehr überlegen müssen, ob das warme Wasser reicht.
    Er schaute auf die Plastiktüte, die er in der Hand hielt.
    – Essen muß man wohl trotzdem, sagte er, aber manchmal frage ich mich, wozu das gut sein soll.
    Er zuckte die Schultern und ging weiter.
    – Armer Kerl, sagte Jean-Pierre und sah ihm lange nach.
    Sie überquerten die Straße und ließen sich auf den Plastikstühlen vor dem schäbigen Imbiß gegenüber dem Markt nieder. Jean-Pierre zündete sich eine Zigarette an, währender auf sein Bier wartete, rauchte sie schnell zu Ende, zerdrückte aggressiv die Kippe im Aschenbecher und zündete sich noch eine an. Julie schielte zu ihrem Cousin. Sie hätte gern gewußt, woran er dachte. Die Begegnung mit Joël Bertrand hatte ihn dazu gebracht, die Deckung aufzugeben, und sie war nicht sicher, ob das gerade jetzt gut war.
    Wenn Julie ganz ehrlich zu sich war, hatte es ein paar angstvolle Augenblicke gegeben, in denen sie sich gefragt hatte, ob der Cousin die drei Mädchen in einem Augenblick rasch aufflammenden Zorns tatsächlich getötet haben konnte. Sie kannte seinen explosiven Charakter und die Dummheiten, zu denen er ihn manchmal veranlaßt hatte. Aber dann mußte sie nur an das denken, was sie am Tatort gesehen hatte, an die durchtriebene Kälte und Gleichgültigkeit, die der Mörder bewiesen hatte, um sicher zu sein, daß Jean-Pierre mit den Morden nichts zu tun gehabt hatte.
    Ein Schatten fiel auf ihren Tisch.
    – Wastia, du verdammter Mörder, wie kannst du es wagen, dich hier breitzumachen!
    Julie sah auf. Eine Gruppe junger Männer stand

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