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Die toten Mädchen von Villette

Die toten Mädchen von Villette

Titel: Die toten Mädchen von Villette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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Professor Verhoeven war überzeugt, daß der Mord 1982 in Villette bei weitem nicht sein erster war.
    – Interessant und erschreckend, sagte Hallstein, er ist davongekommen, weil man Verdächtige zuallererst im engeren Umfeld sucht, wenn junge Frauen ermordet werden. Und niemand hat bemerkt, daß es sich um eine Mordserie handelt, weil er sich über die Grenzen bewegt hat. Aber er hat einen Fehler gemacht, als er in einer Stadt, in der er schon gemordet hat, zum zweiten Mal zuschlug.
    Willy Bourgeois kratzte sich am Ohr. Ihm stand der Schweiß auf der Stirn, und er sah aus, als sehne er sich nach einem kalten Bier. Daß er der Mann war, der den entscheidenden Schritt dahin getan hatte, einen europäischen Serienmörder zu finden, konnte man kaum glauben. Aber so war es, dachte Martine widerwillig. Hätte er nicht die Parallele mit dem Christelle-Mord gesehen, würden sie weiterhin im Dunkeln tappen. Es mußte die größte Heldentat inWillys ganzer Karriere sein, aber er selbst schien das nicht so zu sehen.
    – Wir haben es Willys gutem Gedächtnis zu verdanken, daß wir diesem Mann auf die Spur gekommen sind, sagte sie. Willy sah sie erstaunt an. Lobesworte von Martine Poirot waren ganz klar nicht das, was er erwartete.
    – Aha, sagte Wally Hallstein, welche Theorien haben Sie über den Mörder, und was kann ich tun, um Ihnen zu helfen?
    Martine hatte darüber nachgedacht. Noch mehr Morde mit dem wahrscheinlich selben Täter zu entdecken war interessant als intellektuelle Übung, aber ihre Aufgabe war jetzt, Sabrinas, Peggys und Nadias Mörder zu finden, und dafür hatten die übrigen Morde nur Bedeutung, wenn sie ihnen helfen konnten, den Mann, der am Freitag in Villette gemordet hatte, einzukreisen, zum Beispiel durch das Streichen von Namen von ihren Listen mit verdächtigen Journalisten. Sie hatte am Morgen die Gendarmerie in Fontainebleau angerufen und mit jemandem gesprochen, der an der Morduntersuchung 1984 mitgearbeitet hatte. Er hatte versprochen, so bald wie möglich eine Liste der Journalisten zu besorgen, die bei dem Gipfeltreffen akkreditiert gewesen waren.
    Sie erklärte Walter Hallstein ihre Überlegungen, und er versprach, an allen denkbaren Fäden zu ziehen, um eine entsprechende Liste von dem Treffen in Hannover zu besorgen.
    – Aber jetzt muß ich weiter, sagte er, es war ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Madame Poirot, Madame Champenois. Willy, Uta beklagt sich, daß wir dich und Edith viel zu lange nicht gesehen haben, dagegen müssen wir etwas tun.
    – Aber du hast doch Zeit, wenigstens ein Bier zu trinken, bevor du weiterfährst, sagte Willy enttäuscht auf deutsch, es gibt ein gutes Lokal gegenüber.
    Wally Hallstein sah auf seine Rolex:
    – Ein Bier geht wohl noch, sagte er, und die beiden Männer verschwanden zusammen nach draußen, der eine wach und elastisch, ein Mann in der Mitte seiner Karriere, der andere müde und schlaff, ein Mann auf dem Weg zur Pension.
    Martine sah ihnen lange nach.
    – Was für ein ungleiches Paar, sagte sie, wie sind sie eigentlich Freunde geworden?
    Agnes sah von ihrem Stenogrammblock auf.
    – Ach, sagte sie, du hättest Willy Bourgeois vor zehn, fünfzehn Jahren sehen sollen. Da war er scharf wie eine Ahle, zwanzig Kilo leichter und wurde hier als die große Zukunftsverheißung gesehen. Aber es ist etwas passiert, ich weiß nicht, was, wodurch er den Funken verloren hat. Es war ein Job, um den er sich beworben hat, den er aber nicht gekriegt hat, glaube ich, und außerdem Probleme in der Ehe. Was machen wir jetzt?
    – Wir warten, sagte Martine.

    Die Île St. Jean steuerte wie ein Schiff auf dem Weg zum Meer im Flußbett dahin, mit dem Justizpalast in der Nähe des Bugs. Ganz hinten achtern, hinter dem Justizpalast und der Kathedrale, hinter den mittelalterlichen Häusern und den Resten der alten Stadtmauer, befand sich ein ödes Parkgelände mit Büschen, Steinen und niedrigen Bäumen. Es war die höchste Partie der Insel, und bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts war es Villettes Richtplatz gewesen. Inzwischen wurde der alte Galgenberg auf den Stadtplänen ParcS:t Jean genannt, und es gab dort Bänke, Straßenlaternen und angelegte Spazierwege. Aber es war selten jemand dort. Die Einwohner von Villette hielten sich von dem Park fern, als ob jahrhundertealte Ausscheidungen von Angst und Schmerz in den Felsgrund eingesickert wären und noch aus der mageren Erde aufstiegen.
    Julie Wastia stützte die Ellenbogen auf das Geländer des Aussichtsplatzes und

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