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Die toten Mädchen von Villette

Die toten Mädchen von Villette

Titel: Die toten Mädchen von Villette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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dieTelefonzellen sind? Gut, dann lasse ich dich allein. Übrigens, wir könnten uns vielleicht einen Abend treffen und zusammen essen? Nur du und ich?
    Er sagte das mit einer Nonchalance, die nicht ganz überzeugend klang.
    – Gern, sagte Philippe. Mit einem Gefühl von Aufgekratztheit, das ihn selbst überraschte, sah er Henri Gaumonts schlanken, uniformbekleideten Rücken im Korridor verschwinden.
    Dann ging er zu den Telefonboxen. Er nahm einen Stuhl mit und ließ sich nieder.
    Er ging davon aus, daß es Zeit brauchte, David Mendels Telefonnummer in den USA zu finden.
    Er hob den Hörer ab, um die Nummer der Auslandsauskunft zu wählen, überlegte es sich aber anders und hängte den Hörer an die Gabel zurück. Etwas scheuerte in seinem Unterbewußtsein, ein kaum empfindbarer Reiz wie ein winziges Sandkorn in einem Schuh. Henri Gaumont hat etwas gesagt, das wichtig war, flüsterte sein Unterbewußtsein, und wenn er es nur im richtigen Zusammenhang sah, würde es all seine Fragen beantworten.
    Aber er hatte keine Ahnung, was es war.

    – Ja, das ist er, sagte Tatia, das ist Giovanni. Und das ist seine Jacke, da bin ich hundertprozentig sicher.
    Ihre Stimme zitterte leicht. Es war nicht schwer zu sehen, daß der junge Mann auf den Bildern tot war, der dort mit weit offenen, leeren Augen auf dem Rasen lag. Seine Kleider lagen auf François Cooremans’ Schreibtisch, säuberlich in Plastiktüten verpackt. Tatia berührte vorsichtig die Tüte mit der hochgeschlossenen braunen Jacke.
    – Hat er etwas darüber gesagt, was er in Villette gemachthat? fragte Cooremans und betrachtete Tatia mit eichhörnchenflinken braunen Augen.
    – Ja, sagte Tatia und runzelte die Stirn, er wollte jemanden treffen, der ihm vielleicht einen Stylistenjob besorgen konnte. Das hat er gesagt, direkt bevor er ging, mehr weiß ich nicht darüber.
    – Giovanni ist ja ein italienischer Name, war er Italiener? fragte Cooremans.
    – Na ja, sagte Tatia zögernd, er hatte einen leichten Akzent, obwohl er unheimlich gut Französisch sprach, aber ich fand nicht, daß es wie ein italienischer Akzent klang, eher deutsch oder so was. Aber mein Vater weiß sicher mehr, Giovanni sagte, daß er ihn kennt.
    François Cooremans wandte den Blick zu Martine, die an den Türrahmen gelehnt dastand.
    – Mademoiselles Vater ist dein Bruder, oder? Wie erreiche ich ihn?
    Martine seufzte. Sie wünschte, Philippe würde sich irgendwann ein Telefon anschaffen. Er behauptete immer, er könne es sich nicht leisten, aber sie hatte den Verdacht, daß er es eigentlich ganz schön fand, nicht erreichbar zu sein.
    – Er hat kein Telefon, sagte sie, du mußt an seiner Arbeitsstelle anrufen. Ich habe die Nummer. Aber er arbeitet spät, er ist jetzt wohl nicht da.
    – Papa fängt meistens um drei an, sagte Tatia eifrig. Sie streckte wieder die Hand nach der Plastiktüte mit der braunen Jacke aus.
    – Ich düfte sie wohl nicht rausnehmen und ein bißchen anschauen? Die ist so unglaublich schön genäht, sehen Sie nur das Futter an und die Taschenklappen.
    Sie sah François Cooremans bittend an.
    – Nein, das geht nicht, die Kriminaltechniker sind noch nicht fertig mit ihr, sagte er und warf Martine einen entschuldigenden Blick zu. Sie lächelte ihm zu, ziemlich erleichtert darüber, daß Tatia über den Tod des unbekannten Giovanni nicht so niedergeschlagen war, daß sie sich nicht mehr dafür interessierte, wie seine Jacke genäht war.
    – Okay, sagte Tatia und stand auf, dann sind wir wohl fertig? Sie schüttelte François Cooremans feierlich die Hand und nahm Martines Arm.
    – Dann gehe ich zu Sophie nach Hause, sagte Tatia, der Fotograf kommt um halb eins zu ihr, wir wollten zuerst noch Bilder von den alten Filmaufnahmen ansehen und überlegen, was sie anziehen soll.
    Sie winkte Martine zu, als sie mit leichten Schritten und flatterndem Vierziger-Jahre-Rock den Platz überquerte. Martine sah ihr lange nach, bevor sie zum Annex zurückging.
    Renées Schuhe waren plötzlich nicht mehr bequem. Da war etwas, das drückte. Etwas, das scheuerte.

    Der Korridor im Hotel war zum Erstaunen der Gäste abgesperrt worden. Die beiden Gäste, die nicht früh am morgen ausgecheckt hatten, waren mit vielen Entschuldigungen vom Hoteldirektor und der Zusicherung freien Verzehrs in der Bar und eines kostenlosen Essens am Abend im Hotelrestaurant aus ihren Zimmern gejagt worden.
    Christian hatte zur Rekonstruktion eine Gruppe Polizisten zusammengesammelt, einige, die bei der

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