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Die toten Mädchen von Villette

Die toten Mädchen von Villette

Titel: Die toten Mädchen von Villette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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jemand, der in denselben Kreisen wie Philippe verkehrte.
    Martine sah Tatia nachdenklich an.
    – Es ist wohl das beste, du redest mit demUntersuchungsrichter, der sich um den Fall kümmert, sagte sie, du kannst mit mir zum Justizpalast fahren. Vermutlich ist er es nicht, aber wir dürfen keine Möglichkeit auslassen.
    – Muß ich den … Leichnam anschauen? sagte Tatia nervös.
    Der unbekannte Tote lag vermutlich in diesem Augenblick auf einem Obduktionstisch, mit geöffnetem Brustkorb und bloßgelegtem Gehirn. Alice Verhoeven hatte gesagt, sie würde die Obduktion am frühen Morgen machen.
    – Es reicht, wenn du Bilder anschaust, sagte Martine beruhigend, und du kannst seine Kleidung ansehen. Hat er etwas von sich erzählt?
    – Er hat gesagt, er heißt Giovanni, sagte Tatia, und er interessierte sich für Mode, wir haben eine halbe Stunde über Kleider und Stil und so was geredet. Hauptsächlich. Ja, und dann hat er gesagt, daß er Papa kennt, er hat gesagt, er hätte Papa in den letzten Tagen getroffen, und da hätte er von mir geredet.
    Sie legte das halbgegessene Brot auf den Teller und stand vom Frühstückstisch auf.
    – Ich hoffe, es ist nicht Giovanni. Ich mochte ihn, sagte sie über die Schulter, als sie aus der Küche ging.

    Philippe nahm den Bus Nummer 65 hinaus zur Nato. Obwohl es früh am Tag war und das Dachfenster des Busses offen stand, war es schon unangenehm stickig, und die Plastiksitze fühlten sich glühend heiß an. Wenn seine Geschäftsidee und Tonys Investitionen ihn reich gemacht hatten, würde er immer Taxi fahren, dachte Philippe, und Autos mit Klimaanlage wählen. Oder ein eigenes Auto kaufen. Aber er war immer ein nervöser und schlechter Autofahrer gewesen.
    Die Luft war angenehm frisch, als er aus dem Bus stieg. Er stellte dankbar fest, daß er immer noch respektabel aussah – sein adretter hellgrauer Sommeranzug hatte die stickige Fahrt überstanden, ohne knitterig zu werden. Die dünne Wolle war von hoher Qualität, viel höher, als er sich selbst hätte leisten können. Wenn er anfing, Geld zu verdienen, würde er seine Anzüge immer selber bezahlen, dachte er.
    Er schlenderte zu dem niedrigen Wachhaus rechts vom geschlossenen Gittertor der Nato-Einfahrt.
    – Ich soll Oberst Gaumont bei der französischen Delegation treffen, sagte er fest und streckte seinen Ausweis aus.
    Der junge Soldat, der die Einfahrt bewachte, musterte zuerst genau den Ausweis, dann Philippe und zuletzt eine Liste, die er vor sich hatte.
    – Jawohl, sagte er respektvoll, ich werde den Obersten informieren.
    Er nahm mit einer Hand den Telefonhörer ab und reichte mit der anderen Philippe eine Besuchermarke aus Plastik. Er sagte etwas ins Telefon, das Philippe nicht hörte, und zeigte geradeaus.
    – Da entlang, sagte er, der Oberst kommt und empfängt Sie.
    Oberstleutnant Henri Gaumont, militärischer Ratgeber in der französischen Nato-Delegation, empfing ihn direkt vor dem Eingang zu dem niedrigen Hauptgebäude, ein gut trainierter Fünfzigjähriger mit magerem, sonnenverbranntem Gesicht und Lachfältchen um den Mund. Philippe, der Militärs prinzipiell mißbilligte, hatte dennoch eine peinliche Schwäche für schöne Männer in Uniform, und Henri Gaumont sah aus wie ein Schauspieler, eigens rekrutiert, um einen harten, aber menschlichen Offizier in einemfranzösischen Kriegsfilm zu spielen. Sie waren einander bei gemeinsamen Bekannten begegnet und kannten sich eher oberflächlich, aber gut genug, damit Philippe ihn anrufen und um Hilfe bei seiner Suche nach dem rätselhaften Roger de Wachter bitten konnte.
    Henri Gaumont grüßte mit einem trockenen, männlichen Handschlag. Keine Wangenküsse im Nato-Hauptquartier, dachte Philippe amüsiert, oder vielleicht gingen die mit der Uniform nicht zusammen. Gaumont war immer in Zivil gewesen, wenn sie sich vorher begegnet waren.
    – Ich habe leider ein bißchen wenig Zeit, sagte Gaumont, ich wurde zu einer Sitzung gerufen, nachdem ich mit dir geredet hatte. Aber eine halbe Stunde habe ich, und mehr Zeit brauche ich kaum, um dir das wenige zu erzählen, das ich von der neunfingrigen Madame Doumecq und ihrer Familie weiß.
    Er ging vor Philippe durch den Korridor zu einem kleinen Raum, auf dessen Tür sein Name stand.
    – Setz dich, sagte er und zeigte auf den einzigen Besucherstuhl, sag mir noch einmal, was du wissen wolltest.
    Huguette Morin hatte gesagt, daß Philomène, die Tante, die versprochen hatte, sich um Roger de Wachter zu kümmern, mit einem

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