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Die toten Mädchen von Villette

Die toten Mädchen von Villette

Titel: Die toten Mädchen von Villette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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weiß nicht genau, was wir sind. Eine Art ansässigeReisende, näher kann man dem wohl nicht kommen. Großvater ist herumgezogen, als er jung war, und ich glaube, wir haben entfernte Verwandte in Spanien und Deutschland, Großmutter ist ja in Spanien geboren. Na ja, aber nicht um über meine Familiengeschichte zu reden, wollte ich dich treffen, sondern weil ich wissen wollte, wie es Jean-Pierre geht. Du hast ihn gesehen, nehme ich an?
    – Einmal, sagte Martine, und was soll ich sagen? Er wird des Mordes verdächtigt. Da kann es einem nicht gutgehen.
    – Ich mache mir Sorgen um ihn, sagte Julie. Wenn ihr ihn festgenommen habt, muß das bedeuten, daß ihr Beweise dafür habt, daß er die Mädchen im Lastwagen gefahren hat, nein, das mußt du nicht kommentieren, und das bedeutet, daß sie von ihm geradewegs ihrem Mörder in die Arme gelaufen sind. Genau wie in Ruanda. Jean-Pierre will nicht darüber reden, aber er hat sich sehr verändert nach Ruanda.
    Julie beugte sich über den Tisch und sah Martine mit angstvollen dunklen Augen an.
    – Du mußt dafür sorgen, daß jemand auf ihn aufpaßt, sagte sie. Ich weiß nicht, was er sonst vielleicht macht!
    Sie stand auf, gab der Serviererin ein Zeichen und legte einen Schein auf den Tisch.
    – Ich zahle, sagte sie. Und Martine, ich verlaß mich auf dich.

    Martine ging direkt in den zweiten Stock, um einen schnellen Bericht von Christian de Jonge zu bekommen. Er sah deprimiert aus. Es gab nach wie vor keine technischen Beweise, die Jean-Pierre Wastia mit dem Tatort in Verbindung brachten. Vor allem wiesen seine schweren Militärstiefel keinerlei Spuren von dem feuchten Flußufer auf, woSabrina erwürgt aufgefunden worden war. Dagegen waren in den kräftigen Mustern auf den Sohlen zertretene Erdnüsse, Pailletten und Konfetti hängengeblieben. Was darauf hindeutete, daß er sie am Freitagabend tatsächlich angehabt hatte, konstatierte Christian, und daß er sie nicht gereinigt hatte.
    Martine erzählte rasch von den Schlüssen, die Alice Verhoeven aus der Obduktion gezogen hatte. Alice wollte ihren Bericht offiziell bei einer Sitzung in zwei Stunden durchsprechen, aber Christian sollte die Informationen so schnell wie möglich bekommen.
    – Hm, sagte Christian. Wir können also nicht ausschließen, daß wir den falschen Mann haben, auch wenn wir den jungen Wastia weiter vernehmen müssen. Ich habe ein paar Mann darauf angesetzt, sich die üblichen Verdächtigen anzusehen, Männer, die in den letzten Jahren wegen Gewalt gegen unbekannte Frauen verurteilt wurden. Wir müssen hören, zu welchem Ergebnis sie gekommen sind.
    Christian de Jonge war beharrlich, aber ohne Profilneurose, unermüdlich, wenn es darum ging, bei einer Untersuchung jeden Stein umzudrehen, aber gleichzeitig bereit, von vorn anzufangen, wenn sich zeigte, daß eine Spur in eine Sackgasse führte.
    – Es gibt natürlich viel Material, das sich noch niemand angesehen hat, sagte Martine.
    – »Viel« ist eine Untertreibung, stellte Christian fest. Wir haben mehrere hundert Seiten Befragungen von der Place de la Cathédrale und aus dem La Cave du Cardinal und von der Straße zur Bushaltestelle, ganz zu schweigen von all den Tips aus der Öffentlichkeit. Wir haben grob ausgesiebt, aber es ist immer noch eine Heidenarbeit, in dem Material mögliche Goldkörner zu finden.
    – Ist Annick Dardenne zurück? fragte Martine. Ich glaube, sie wäre die richtige Person, um die Befragungen und Tips durchzugehen. Und sie vielleicht mit Bildern und Fernsehfilmen zu vergleichen, falls wir dazu kommen.
    Annick Dardenne war eine junge Kriminalinspektorin, ziemlich neu in Villette, die in ein paar Fällen, wo sie zusammengearbeitet hatten, methodische Intelligenz bewiesen und damit auf Martine großen Eindruck gemacht hatte.
    – Ich meine, ich hätte sie hier gesehen, sagte Christian, sie war auf einer Art Kampfsporttreffen in Liège, ist aber wie alle anderen unter die Fahnen gerufen worden. Ich suche sie direkt und nehme sie mit auf die Sitzung.
    Ein Rülpsen, begleitet von einem muffigen Bierhauch, ließ Martine den Kopf drehen. Kriminalkommissar Willy Bourgeois hatte sich an Christians Schreibtisch niedergelassen und blätterte die Akte über den Dreifachmord durch. Wenn Christian de Jonge einer von Martines Lieblingen war, war Willy Bourgeois der von den Kommissaren im Justizpalast, mit dem ihr die Zusammenarbeit am schwersten fiel. Er war ein erfahrener Kriminalermittler und bei weitem nicht dumm, aber nach dreißig

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