Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)
Bridget.«
»Was ist mit ihr?«
»Ich glaube, dass sie in Gefahr ist. Sie müssen sofort nach ihr sehen.«
»In Gefahr? Was meinen Sie damit?«
»Können Sie nachschauen, ob es ihr gut geht? Und bleiben Sie bei ihr, bis ich da bin.«
»Aber …«
»Bitte, ich bin bereits unterwegs. Sehen Sie einfach nur nach.«
»Gut, aber ich kann Ihnen auch so versichern, dass alles in Ordnung ist. Unsere Betreuung ist erstklassig, wie Sie wissen, und …«
»Ich bleibe am Apparat«, sage ich in der Hoffnung, dass sie sich dann beeilt. Es klappt.
Ich drücke weiter aufs Gas. Ich wünschte, ich hätte meinen Wagen von vor zwei Jahren, den mit der Sirene. Ich wünschte, ich könnte damit die Autos vor mir einfach von der Straße scheuchen.
Ich erwische drei grüne Ampeln in Folge, überfahre zwei gelbe und bremse an einer roten ab, bevor ich unter dem Gehupe der anderen Autos erneut beschleunige.
Schwester Hamilton ist zurück am Apparat. Ich höre, wie sie den Hörer hochnimmt, doch sie sagt kein Wort. Als müsste sie erst einmal ihre Gedanken ordnen. Und überlegen, was sie sagen soll. Weil es ein Problem gibt.
»Carol?«
»Bridget ist auf ihrem Zimmer«, sagt sie.
»Sind Sie sicher?«
»Natürlich bin ich sicher.«
»Ist jetzt jemand bei ihr?«
»Unser Personal ist bestens ausgebildet, Mr. Tate«, erwidert sie förmlich, als würde sie vor einer Jury aussagen.
»Darum rufe ich nicht an. Hören Sie, das ist schwer zu erklären, aber ich bin fast da. Bitte, tun Sie mir einfach den Gefallen, bei ihr zu bleiben, bis ich eingetroffen bin.«
»Also schön, Theo. Wir werden …«
Den Rest höre ich nicht mehr, denn das Telefon schaltet sich ab. Als ich einen Blick auf die Anzeige werfe, kann ich ihm praktisch dabei zuschauen. Ich versuche es wieder anzumachen, um Landry oder Schroder zu alarmieren, doch der Akku ist leer.
Zehn Minuten später erreiche ich das Pflegeheim. Das Wetter hat weiter aufgeklart, am Himmel sind ein paar blaue Flecken; vielleicht werden sie im Laufe des Nachmittags noch größer. Hastig lasse ich meinen Blick über die anderen Autos wandern und versuche herauszufinden, ob eines davon nicht hierhergehört, doch ich habe keine Ahnung, was für einen Wagen Alderman überhaupt fährt.
Drinnen eile ich am Empfang vorbei. Die Frau hinterm Tresen erkennt in mir den Typen wieder, der eben angerufen hat, und gibt mir mit einem Blick zu verstehen, dass ich ihr gerade den Nachmittag versaut habe.
Bridget sitzt wie jeden Tag am Fenster. Es macht keinen Unterschied, dass ich am frühen Nachmittag statt am frühen Abend hier auftauche. Denn sie sieht nicht fern. Und steht auch nicht auf, um zu duschen, oder löst Kreuzworträtsel. Jeden Tag, Woche für Woche, dasselbe, ohne Unterbrechung. Ich eile zu ihr und nehme sie in den Arm; sie erwidert meine Umarmung nicht, aber das ist in Ordnung.
»Das ist schon ziemlich ungewöhnlich«, sagt Carol hinter mir.
Ich lasse Bridget los und nehme ihre Hand. »Hat sie jemand besucht?«
»Niemand, der sie nicht schon früher besucht hätte.«
»Sonst keiner? Eine fremde Person, die irgendjemanden besuchen wollte?«
»Worauf wollen Sie hinaus, Theo?«
Für mich ist das nicht schwer zu verstehen, für sie vielleicht schon. Also versuche ich, es ihr zu erklären.
Ich erzähle ihr von meinem Gespräch mit Alderman, gehe allerdings nur kurz auf bestimmte Punkte ein. Sie nimmt alles ziemlich gelassen auf, so wie das wahrscheinlich nur Cops oder Pflegeschwestern können – beide haben zu viel gesehen, um sich noch über irgendwas zu wundern. Es sei nichts Schlimmes passiert, erklärt sie mir schließlich, der Mann, der Bridget bedroht hat, habe wohl gelogen, offensichtlich habe er wegen der Sache mit seinem Sohn einen verzweifelten Versuch gestartet, mich aus der Fassung zu bringen. Das Pflegeheim sei eine erstklassige Einrichtung, betont sie, und sorge dafür, dass keinem ihrer Schützlinge etwas passiere. Trotzdem versichert sie mir, noch wachsamer zu sein, und fordert mich auf, die Polizei zu verständigen. Ich verspreche es ihr.
Dann lässt sie mich mit Bridget allein. Ich möchte sie nicht hier lassen. Nicht mehr. Ich möchte sie mitnehmen, aber wohin? Zu mir nach Hause? Wie soll ich da auf sie aufpassen? Nein. Hier ist sie sicherer.
Carol kommt zurück. »Es ist jemand für Sie in der Leitung. Sie können den Apparat im Büro benutzen.«
Ich folge ihr nach unten.
»Hallo?«
»Na, wie fühlt sich das an?«, fragt Alderman. »Zu glauben, sie wäre tot? Zu
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