Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)
jeder siebte Mensch an einem Dienstag stirbt. Oder geboren wird. Warum also nicht an einem Dienstag die Familie verlieren? Gibt es einen schlechteren Tag? Eigentlich war es ein ganz normaler Dienstag. Auf dem Weg zur Haustür gab ich meiner Tochter und meiner Frau einen Kuss, und das nächste Mal, als ich sie sah, ruhte Emily auf einer Metallplatte, ein Tuch bis unter den Hals gezogen, so dass ihr Gesicht frei lag. Während Bridget sich, angeschlossen an Geräte und umringt von Ärzten, in einem Reich zwischen Leben und Tod befand.
Ein paar Stunden zuvor waren beide ins Kino aufgebrochen. Es war zwei Uhr nachmittags, und meine Tochter schaute sich einen Disney-Film an – mit sprechenden Tieren, die sich der Festnahme entziehen und ihre Steuererklärung machen, und was schlaue Tiere sonst noch so können. Es waren gerade Ferien, und da meine Frau Lehrerin war, hatte sie ebenfalls Urlaub. Um Viertel vor vier war die Vorstellung zu Ende, und meine Frau ging mit meiner Tochter und Dutzenden anderer Kinder und ihren Eltern nach draußen. Sie liefen um das Einkaufszentrum herum zum Wagen. Es war zehn vor vier, und Quentin James war bereits betrunken. Zehn vor vier, mitten am Nachmittag, und Quentin James hockte hinter dem Steuer seines Geländewagens; an diesem Morgen hatte er eine Geldstrafe von vierhundert Dollar bezahlt, um ihn zurückzubekommen. Obwohl er keinen Führerschein mehr hatte, hielt ihn das nicht davon ab, die Geldstrafe zu zahlen; und die Gerichte nicht davon, ihm die Schlüssel auszuhändigen. Ich kann mir nur ungefähr ausmalen, wie es passiert ist – bruchstückhafte Bilder, die ich um die Schilderungen der Augenzeugen ergänzt habe. Wie der Geländewagen auf den Parkplatz schlingerte. Über den Bordstein auf den Gehweg hüpfte. Wie meine Frau und meine Tochter das Geräusch hörten und sich danach umdrehten. Emilys winzige Hand in der Hand meiner Frau. Der Ausdruck in Bridgets Gesicht, als sie merkte, dass sie nichts tun konnten, dass der Geländewagen sie wie Stoffpuppen durch die Luft wirbeln würde.
Sie hat Emily noch zur Seite gestoßen. Hat man mir erzählt. Sie hat getan, was jede Mutter getan hätte, und versucht, ihre Tochter zu retten. Nur dass das nicht reichte. Sie wurden beide vom Geländewagen erfasst; meine Frau knallte auf die Motorhaube, meine Tochter wurde von den Rädern überrollt; es hat sie beide voll erwischt. Meine Kleine trug irreparable innere Verletzungen davon. Meine Frau ebenfalls. Mir und meinen Eltern erging es nicht anders.
Trotzdem fuhr Quentin einfach weiter. Ja, als ich ihn zwei Wochen später an einen verlassenen Ort brachte, erzählte er mir, dass er sich nicht einmal mehr daran erinnern könne, sie überfahren zu haben. Er sagte, das sei nicht wirklich er gewesen, sondern der Mann, den der Alkohol aus ihm gemacht habe. Ich hätte also den falschen Mann. Er sei krank, sagte er, und es sei der kranke Quentin gewesen, der meine Tochter überfahren und getötet habe. Der Quentin, der vor mir um sein Leben flehe, sei nicht der Mann, der mein Mädchen getötet habe. Zumindest behauptete das der nüchterne Quentin, aber das war mir egal. Es war die idiotische Ausrede eines armseligen, feigen Säufers in einem seiner seltenen nüchternen Momente. Er sagte, er könne sich nicht erinnern, sie überfahren zu haben, aber das spielte ebenfalls keine Rolle mehr. Denn ich konnte mich daran erinnern. Genau wie die Augenzeugen. Sie haben mir erzählt, dass es beim Aufprall einen dumpfen Knall gab, als hätte man einen schweren Koffer aus einem Fenster im zweiten Stock geworfen. Sie haben erzählt, dass meine Frau über die Motorhaube des Geländewagens gerollt und auf den Asphalt geschlagen ist. Dass meine Kleine unter dem Fahrgestell hin und her geworfen wurde, bevor sie zwischen den Hinterrädern, völlig verdreht und blutüberströmt, wieder herausgeschleudert wurde. Und sie haben erzählt, dass meine Frau und meine Tochter Seite an Seite auf dem Gehweg landeten. Und dass Quentin einfach weitergefahren ist.
Eine Stunde später wurde Quentin James gefasst. Man hat seinen Geländewagen mit Frontschutzbügel, den er in vier Jahren kein einziges Mal abseits geteerter Straßen benutzt hat, beschlagnahmt. Als Beweisstück. Man hat ihn wegen Totschlags und rücksichtslosen Fahrens angeklagt, obwohl man ihn hätte wegen Mordes anklagen müssen. Ich habe das nie kapiert. Der Typ ist betrunken gefahren. Er hat das jeden verdammten Tag seines Lebens getan. Das heißt, das Ganze hatte
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