Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)
will, dass sie voller Puzzleteile sind, die sich jeden Augenblick so zusammenfügen werden, dass er mich verhaften kann.
Ich sage nichts.
Schließlich bricht Landry das Schweigen. »Nun, man muss nur die verschiedenen Enden miteinander verbinden. Bei dir ist das kein Problem. Du hast in den letzten zwei Jahren eine Menge erlebt, Tate. Den Unfall mit deiner Familie. Ich kann dir das nachfühlen – niemand sollte so einen Verlust erleiden.«
Ich sage immer noch nichts. Auch wenn ich nicht weiß, worauf er hinauswill, habe ich nicht vor, ihm zu helfen.
»Was glaubst du, ist mit Quentin James passiert?«, fragt er.
»Keine Ahnung.«
»Die Sache scheint dich nicht besonders aufzuregen, Tate. Ich muss sagen, ich wäre stinksauer. Ich hätte mich nicht mit der Tatsache abgefunden, dass der Typ davonkommt. Ich würde sämtliche Hebel in Bewegung setzen, würde Polizei und Medien mit Anrufen bombardieren und nach ihm suchen. Ich würde den Leuten so lange auf die Nerven gehen, bis sie die Suche nach Quentin James ganz oben auf ihre Liste setzen. Aber du, du tust nichts davon.«
»Vielleicht taucht er eines Tages wieder auf, und der Gerechtigkeit wird Genüge getan.«
»Falls das nicht schon geschehen ist. Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand für so lange Zeit verschwindet, erst recht nicht in diesem Land. Na ja, und dann, vor einem Monat, passiert wieder was. Menschen sterben und verschwinden. Und was geschieht? Du fängst an zu saufen, kreuzt betrunken vor der Kirche auf, belästigst Vater Julian und bombardierst ihn mit Fragen. Vor einer Woche dann erwirkt er eine richterliche Verfügung gegen dich, doch du ignorierst sie einfach. Willst du wissen, was ich glaube?«
»Aber nur, wenn du mir was zur Last legst. Sonst gehe ich.«
Ich stehe auf. Das Verhörzimmer schwankt ein wenig. Haltsuchend greife ich nach dem Tisch.
»Setz dich wieder hin, Tate, bevor du noch zusammenklappst.«
»Leg mir irgendwas zur Last, oder ich rufe meinen Anwalt an.«
»Du hast eine richterliche Verfügung missachtet. Das reicht für eine Anklage.«
»Nur zu. Glaubst du, das macht mir was aus?«
»Tja, ich glaube tatsächlich nicht, dass es dir was ausmacht. Und das ist genau das Problem.« Landry steht auf. Er nimmt den Ordner und seinen Kaffee und marschiert zur Tür. Er muss beides ein wenig ausbalancieren, um die Klinke runterzudrücken. »Ich merke schon, ich verschwende hier nur meine Zeit. Aber ich warne dich: Lass dich bloß nicht mehr vor der Kirche blicken. Solltest du in Vater Julians Nähe auftauchen, lasse ich dich festnehmen. Dann ist Schluss mit dem Scheiß, kapiert? Dann hat hier keiner mehr ein schlechtes Gewissen wegen dem ganzen Mist, den du durchmachen musstest. Dann wirst du keinem mehr leidtun. Du gehst langsam vor die Hunde, und die Loyalität, die du dir hier im Laufe der Jahre erworben hast, ist bald aufgebraucht. Du willst nicht ins Gefängnis? Dann solltest du mal in dich gehen und rausfinden, was mit dir los ist. Kapiert?«
Kapiert.
»Und um Himmels willen, Tate, verzieh dich nach Hause und dusch dich. Du stinkst wie eine Brauerei.«
Kapitel 26
Ich setze mich wieder hin und denke ein paar Minuten über das nach, was er gesagt hat, überlege, ob mir die Polizei helfen kann, wenn ich die Wahrheit sage, oder ob ich dann erledigt bin. Als ich aufstehe, muss ich mich erneut am Schreibtisch festhalten. Dabei komme ich zu dem Schluss, dass Landry nicht die leiseste Ahnung hat, wovon er spricht – keiner hier weiß das -, und dass man mich verdammt noch mal in Ruhe lassen soll.
Auf meinem Weg zum Aufzug starrt mich aus jeder Arbeitsnische, aus jeder Ecke des vierten Stocks irgendjemand an. Vor zwei Jahren habe ich noch zu ihnen gehört. War Teil des Teams und tat mein Bestes, um in der Stadt für Ordnung zu sorgen, um die steigende Flut der Gewalt einzudämmen, in einem damals wie heute aussichtslosen Kampf. Dann änderten sich die Dinge. Die Welt wurde eine andere. Ich reichte meine Kündigung ein, weil ich wusste, dass man das in der Abteilung von mir erwartete. Ich wollte nicht länger dort arbeiten, hatte allerdings keine Ahnung, was ich nach meiner Kündigung mit mir anfangen sollte. Am Tag meiner Verabschiedung kamen alle zu mir, klopften mir auf die Schulter oder schüttelten mir die Hand und meinten, egal was dem verschwundenen Quentin James zugestoßen sei, er habe es verdient. Niemand sprach offen aus, dass ich ihn umgebracht hatte, denn niemand wusste es, und noch wichtiger, niemand
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