Die Toten schweigen nicht: Thriller (German Edition)
glaubst. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ihr so übel drauf seid.«
Er schaut zu seinem Partner hinüber, dann wieder zu mir. »Mensch, Tate, für einen Drink ist es wirklich ein bisschen früh, oder?«
»Irgendwo auf der Welt ist gerade Happy Hour.«
»Dann ist es ja kein großer Zeitverlust für dich, wenn du uns begleitest.«
Sie öffnen mir die Tür, und ich steige aus. Mein Atem gefriert in der Luft. Unter meinen Füßen knirscht der Kies, zwischen meinen Sohlen bleiben winzige Frostpartikel hängen, und die Bäume, die eben noch reglos vor mir aufragten, scheinen auf mich zuzustürzen. Die Beamten bringen mich zum Heck ihres Wagens, und ich muss die Arme ausstrecken und mich daran abstützen, um nicht hinzufallen. Dann nehmen sie mir den Bourbon weg. Mein Gott, was kommt als Nächstes? Erst verliere ich meine Familie, und jetzt nehmen sie mir auch noch den Alkohol weg.
Im Polizeiauto ist es wärmer als in meinem Wagen, und da die Windschutzscheibe nicht vereist ist, kann man auch etwas mehr sehen. Während der Fahrt wird nicht gesprochen, und ich vertreibe mir die Zeit damit, meine Füße anzustarren und gegen meine Übelkeit anzukämpfen, denn mir kommt es so vor, als würde der ganze Wagen hin und her schlingern. Der Lift auf dem Revier fährt mir viel zu schnell, so dass ich mich gegen die Wand lehnen muss. Die Männer führen mich an Dutzenden neugieriger Augenpaare vorbei. Ich sehe niemanden direkt an, sondern registriere nur verstohlen ihre enttäuschten Blicke.
Im Verhörzimmer verfrachten sie mich an einen Tisch; in meinem früheren Leben habe ich mal auf der anderen Seite gesessen. Sobald sie die Tür zugemacht haben, stehe ich wieder auf, doch sie ist verschlossen. Nachdem ich eine Weile auf und ab gegangen bin, wird mir klar, dass ich mich genauso gut auch wieder setzen kann. Ich kenne die ganze Prozedur. Ich weiß, dass sie mich warten lassen, bevor sie jemanden hereinschicken. Ich muss mal auf die Toilette, und wenn sie sich zu viel Zeit lassen, werde ich einfach in die Ecke pissen. Warum auch nicht? Wenn ich in der Lage bin, jemanden zu töten, kann ich alles.
Nach vier Minuten betritt Detective Inspector Landry das Zimmer. Er hat lediglich eine Tasse Kaffee dabei, die offenbar nicht für mich bestimmt ist, und einen Ordner, den er auf den Tisch legt, ohne ihn aufzuschlagen. Er riecht immer noch nach Zigarettenqualm und Kaffee. Mit den dunklen Schatten unter den Augen wirkt er gestresst, so als hätte er seit einer Woche nicht geschlafen. Während er versucht hat herauszufinden, wie die Leichen im Wasser gelandet sind, war er auch noch mit dem ganzen anderen Mist beschäftigt, der in der Stadt passiert. Mit weiteren Morden und weiteren Fällen.
Er setzt sich hin und starrt mich an.
»Was ist das für eine fixe Idee, die du da hast, kannst du mir das noch mal erklären?«, fragt er.
»Das ist keine fixe Idee.«
»Hör auf, den Schlaumeier zu spielen.«
»Kann ich dann gehen?«
»Was glaubst du wohl? Du hast gegen die richterliche Verfügung verstoßen. Und du hast betrunken hinterm Steuer eines Wagens gesessen.«
»Ich hab noch keinen Alkoholtest gemacht.«
»Willst du einen machen?«
»Wozu? Ich bin nicht gefahren.«
»Ich könnte dagegenhalten, dass du betrunken zum Friedhof gefahren bist. Oder dass du von dort wegfahren wolltest. Deine Schlüssel steckten im Zündschloss.«
»Das könntest du, und ich könnte dagegenhalten, dass du ein Arschloch bist.«
»Scheiße, Tate, warum tust du dir nicht selbst einen Gefallen? Hm? Warum nutzt du nicht einfach die Tatsache, dass ich momentan dein bester Freund in dieser Stadt bin?«
»Wie kommt’s?«
»Weil du hier angerufen und uns die Namen der beiden anderen Mädchen durchgegeben hast. Das hat uns erst auf die richtige Fährte gebracht.«
»Das war vor einem Monat«, sage ich. Und zwar an dem Tag, als ich mich mit Alicia North in Verbindung gesetzt habe, Rachels bester Freundin, von der David mir erzählt hatte. Doch Alicia North hatte weder jemals etwas von Vater Julian gehört, noch von Bruce oder Sidney Alderman, sie hatte nichts, was von Nutzen gewesen wäre. An dem Tag habe ich auch mit dem Saufen angefangen – um das Bild des leblosen Sidney Alderman wieder loszuwerden.
»Genau, das war vor einem Monat, aber ich bin eben ein großzügiger Typ und möchte dir jetzt einen Gefallen tun. Also, für uns stellt sich die Sache so dar: Sidney Alderman hat sich an dem Tag aus dem Staub gemacht, als du mir erzählt hast,
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