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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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guter Gutsbesitzer ist.«
    »Aber auch er hat jetzt doch eine Hypothek aufgenommen«, sagte Tschitschikow.
    »Nun ja, alle nehmen sie Hypotheken auf, alle.« Kostanschoglo geriet, während er sprach, immer mehr in eine zornige Erregung hinein. »Da richtet denn so einer eine Hutfabrik ein oder eine Kerzenfabrik und läßt sich Lichtgießer aus London kommen und wird zum Krämer! Ein Gutsbesitzer, so ein geachteter Stand, wird Manufakturist, Fabrikant! Spinnmaschinen, um Musselin für die liederlichen Frauenzimmer in der Stadt herzustellen …«
    »Aber du hast doch auch selbst Fabriken«, bemerkte Platonow.
    »Aber wie sind sie entstanden? Die sind von selbst entstanden: es hatte sich Wolle angesammelt; ich wußte sie nicht zu lassen, und da fing ich an, Tuch zu weben, dickes, einfaches Tuch; das wird für billigen Preis gleich hier bei mir auf den Märkten verkauft; das braucht der Bauer, mein Bauer. Da hatten die Fischer sechs Jahre lang die Fischschuppen auf meinem Ufer hingeworfen; wo sollte ich damit hin? Ich fing an, Leim daraus zu kochen, und habe vierzigtausend Rubel davon eingenommen. Und so geht das bei mir mit den Fabriken immerzu.«
    »Donnerwetter«, dachte Tschitschikow, ihn mit weit geöffneten Augen anblickend, »der versteht es, Geld zu machen!«
    »Und ich habe mich damit auch namentlich deswegen abgegeben, weil eine Menge an Arbeitern zusammenströmten, die sonst Hungers gestorben wären; es war ein Hungerjahr; das hatten wir diesen Fabrikanten zu verdanken, die die Aussaat unterlassen hatten. Solche Fabriken, lieber Schwager, gibt es bei mir viele. Jedes Jahr eine andere Fabrik, je nachdem sich Überreste und Abfälle angesammelt haben. Man braucht bloß in seiner Wirtschaft ordentlich Umschau zu halten; jeder Schund gibt eine Einnahme, so daß man zuletzt manches von sich stößt und sagt: ›Wollen’s genug sein lassen!‹ Ich baue mir ja auch zum Fabrikbetrieb keine Paläste mit Säulen und Frontons.«
    »Das ist erstaunlich … Das Erstaunlichste aber ist, daß jeder Schund eine Einnahme gibt«, sagte Tschitschikow.
    »Aber ich bitte Sie! Wenn die Menschen nur die Sache einfach nehmen wollten, wie sie ist! Aber da spielt jeder gleich den Mechaniker und will das Kästchen mit einem Instrumente öffnen, statt es einfach aufzuklappen. [12]   So einer reist zu diesem Zwecke expreß nach England; so machen sie’s! Narrenvolk!« Kostanschoglo spuckte aus. »Und wenn so einer aus dem Auslande zurückkommt, ist er noch hundertmal dümmer als vorher!«
    »Ach, Konstantin, du regst dich wieder so auf«, sagte seine Frau beunruhigt. »Du weißt doch, daß dir das schädlich ist.«
    »Wie soll man sich da nicht aufregen? Ja, wenn es fremde Angelegenheiten wären; aber es sind doch Dinge, die dem eigenen Herzen nahestehen; man muß sich doch darüber ärgern, daß der russische Volkscharakter verdorben wird. Es ist jetzt bei uns eine Don-Quichotterie aufgekommen, die es früher nie gegeben hat! Da schwärmt einer für Bildung und wird ein Don Quichotte: er richtet Schulen ein, von denen der Narr gar nichts versteht! Aus diesen Schulen gehen dann Menschen hervor, die nirgends hinpassen, weder aufs Land noch in die Stadt; das werden nur Trunkenbolde, die sich Wunder was auf sich selbst einbilden. Oder es begeistert sich einer für Humanität: Dann wird er ein Don Quichotte der Humanität, baut für eine Million Rubel die sinnlosesten Krankenhäuser und ähnliche Institute mit Säulen, ruiniert sich selbst und bringt alle an den Bettelstab; das sind dann die Folgen dieser Humanität!«
    Für die Bildung interessierte sich Tschitschikow weiter nicht. Er wollte sich nur recht genau darüber orientieren, wie jeder Schund eine Einnahme gibt; aber Kostanschoglo ließ ihn nicht zu Worte kommen: die ärgerlichen Reden strömten ihm jetzt nur so von den Lippen, so daß er sie nicht mehr zurückhalten konnte.
    »Diese Menschen denken darüber nach, wie sie dem Bauer Bildung verschaffen können; sie sollten ihn nur zuerst reich und zu einem guten Wirte machen; für seine Bildung wird er dann schon selbst sorgen. Was jetzt, heutzutage, die ganze Welt dumm geworden ist, davon können Sie sich gar keine Vorstellung machen! Was schreiben jetzt diese Federfuchser nicht alles! Wenn sie so ein Büchelchen veröffentlichen, dann stürzt sich alles nur so darauf. Da sagen sie jetzt: ›Der Bauer führt ein gar zu einfaches Leben; man muß ihn mit dem Luxus bekannt machen, ihm die Bedürfnisse eines höheren Zustandes

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