Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
Vom Netzwerk:
es nicht, daß die Diener die Gespräche der Herrschaft mit anhörten, und noch weniger, daß sie ihm, während er aß, in den Mund sahen.
    Als Tschitschikow seine Suppe gegessen und ein Gläschen eines vorzüglichen, dem Ungarnwein ähnlichen Getränkes getrunken hatte, sagte er zu seinem Wirte: »Gestatten Sie, Verehrtester, daß ich von neuem auf den Gegenstand des unterbrochenen Gespräches zurückkomme. Ich fragte Sie danach, was ich tun solle, wie ich vorgehen müsse, wie ich es am besten anstellen könne, um schnell reich zu werden.«
[Hier fehlen im Manuskript zwei Seiten. Darin wird Kostanschoglo seinem Gaste empfohlen haben, das Gut seines Nachbarn Chlobujew zu kaufen.]
    »… und wenn er selbst für das Gut vierzigtausend Rubel fordern sollte, würde ich ihm diese Summe ohne weiteres hinzahlen.«
    »Hm!« Tschitschikow dachte nach und sagte darauf einigermaßen schüchtern: »Warum kaufen Sie es denn dann nicht selbst?«
    »Weil man nicht über eine bestimmte Grenze hinausgehen darf. Ich habe ohnehin schon von meinen Gütern genug Mühe und Sorge. Und ferner erheben die Adeligen in unserer Gegend sowieso schon ein großes Geschrei über mich, als ob ich mir ihre Notlage und ihre zerrütteten Vermögensverhältnisse zunutzte machte und Land für einen Spottpreis aufkaufte. Dieses Gerede ist mir schließlich zum Ekel geworden.«
    »Die Menschen sind überhaupt nur zu geneigt zu übler Nachrede,« bemerkte Tschitschikow.
    »Und nun gar in unserem Gouvernement. Sie können sich gar keine Vorstellung davon machen: mich nennt man hier nicht anders als einen Gauner und Geizhals erster Klasse. Für ihr eigenes Verhalten aber haben sie immer Rechtfertigungen bereit. ›Ich‹, sagt so einer, ›habe allerdings mein Vermögen aufgebraucht, aber nur weil ich höhere Lebensinteressen hatte und die Industrie förderte‹ (richtiger würde er sagen: ›weil ich mich von den Schurken ausbeuten ließ‹); ›wer kann denn auch wie ein Stück Vieh leben à la Kostanschoglo?‹«
    »Ich würde gern ein solches Stück Vieh sein!« schaltete Tschitschikow sich ein.
    »Aber dieses Gerede ist nur dummes Zeug. Was sind denn das für höhere Lebensinteressen? Wem wollen sie denn damit etwas weismachen? Bücher – wenn sie sich auch welche kommen lassen, lesen tun sie sie ja doch nicht. Es läuft dann schließlich auf Kartenspielen und Champagnertrinken hinaus. Und alles kommt daher, daß ich keine Diners gebe und ihnen kein Geld leihe. Diners gebe ich deshalb nicht, weil mir das unbequem sein würde; ich bin daran nicht gewöhnt. Aber wenn jemand zu mir kommt, um bei mir zu essen, was ich gerade habe, so soll er mir willkommen sein. Daß ich kein Geld leihe, das ist Unsinn. Wenn jemand zu mir kommt, der wirklich in Not ist und mir eingehend darlegt, was er mit meinem Gelde anfangen will, und wenn ich aus seinen Reden ersehe, daß er es verständig verwenden und das Geld ihm einen sicheren Nutzen abwerfen wird: dann werde ich ihm seine Bitte nicht abschlagen und nicht einmal Zinsen von ihm nehmen.«
    »Das muß ich mir merken,« dachte Tschitschikow.
    »Eine solche Bitte werde ich niemals abschlagen«, fuhr Kostanschoglo fort. »Aber mein Geld aus dem Fenster zu werfen, dazu habe ich keine Lust. Da wolle man mich freundlichst entschuldigen! Hol’s der Teufel; da will so ein Mensch seiner Mätresse ein opulentes Diner geben oder sein Haus mit sinnlosem Luxus möblieren oder mit einem liederlichen Frauenzimmer auf einen Maskenball gehen oder ein Jubiläum feiern zur Erinnerung daran, daß er nutzlos auf der Erde gelebt hat; und dazu soll ich ihm Geld borgen! …«
    Hier spuckte Kostanschoglo aus und hätte beinahe in Gegenwart seiner Frau ein paar unanständige Schimpfworte gebraucht. Der finstere Schatten einer starken Hypochondrie verdunkelte sein Gesicht. Seine Stirn überzog sich kreuz und quer mit Runzeln, welche von der zornigen Erregung seiner gereizten Galle Zeugnis ablegten.
    »Erlaubten Sie mir, mein Hochverehrter, Ihre Aufmerksamkeit von neuem auf den Gegenstand des unterbrochenen Gespräches zurückzulenken«, sagte Tschitschikow, indem er noch ein Gläschen des wirklich ausgezeichneten Himbeerlikörs trank. »Gesetzt, ich erwürbe ebenjenes Gut, das Sie vorhin erwähnten, in welcher Zeit und wie bald könnte ich es dann wohl zu solchem Reichtum bringen, daß …«
    »Wenn Sie schnell reich werden wollen«, unterbrach ihn der immer noch sehr verstimmte Kostanschoglo verdrießlich und schroff, »dann werden Sie es

Weitere Kostenlose Bücher