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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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auch über alle stellen und für ihn allein ein ganzes Departement einrichten. Sehen Sie selbst, was das für ein heller Kopf ist, und wie er in wenigen Minuten die ganze Frage gelöst hat!«
    »Na, Gott sei Dank!« dachte Tschitschikow und schickte sich an, zuzuhören. Der Oberst las:
    »Indem ich dazu schreite, den mir von Euer Hochgeboren erteilten Auftrag zu durchdenken, habe ich die Ehre, hiermit folgendes zu berichten:
    1. Schon in dem Gesuche des Herrn Kollegienrates und Ritters Pawel Iwanowitsch Tschitschikow findet sich eine Unklarheit, da unbedachtsamerweise Seelen, die in den Revisionslisten stehen, Tote genannte werden. Wahrscheinlich hat der Herr damit solche gemeint, die dem Tode nahe, aber nicht solche, die wirklich gestorben sind. Auch läßt eine solche Bezeichnung schon an sich auf eine nur empirische Kenntnis der Wissenschaften schließen, die sich wahrscheinlich auf die Volksschule beschränkt; denn die Seele ist unsterblich.«
    »So ein Schelm!« sagte Koschkarew selbstzufrieden, indem er einen Augenblick innehielt. »Da hat er Ihnen einen kleinen Hieb versetzt. Aber gestehen Sie selbst: er führt eine gewandte Feder!«
    »2. Auf dem Gute sind gar keine in die Revisionsliste eingetragenen Seelen vorhanden, die nicht mit Hypotheken belastet wären, weder solche, die dem Tode nahe sind, noch irgendwelche anderen; denn es ruht auf allen zusammen ohne Ausnahme nicht nur eine erste Hypothek, sondern auch eine zweite, die pro Seele einhundertfünfzig Rubel beträgt. Ausgenommen ist nur das kleine Dorf Gurmailowka, dessen Besitz wegen eines Prozesses mit dem Gutsbesitzer Betrischtschew strittig ist, und auf das infolgedessen laut Gerichtsbeschluß keine Hypothek aufgenommen werden darf, wie dies in Nummer 42 der Moskauer Nachrichten publiziert worden ist.«
    »Aber warum haben Sie mir das denn nicht gleich gesagt? Warum haben Sie mich um solcher Possen willen aufgehalten?« sagte Tschitschikow ärgerlich.
    »Ja, es war doch erforderlich, daß Sie zu dieser Einsicht in Form eines aktenmäßigen Verfahrens gelangten. So ist das kein Kunststück. Unbewußt kann auch ein Dummkopf zur Einsicht gelangen; aber es muß mit Bewußtsein geschehen.«
    Ärgerlich griff Tschitschikow nach seiner Mütze und rannte gegen alle Vorschriften des Anstandes aus dem Hause; er war gar zu zornig. Der Kutscher stand mit dem Wagen in Bereitschaft, da er wußte, daß es zwecklos war, die Pferde abzuschirren; denn um Futter hätte er erst ein schriftliches Gesuch einreichen müssen, und der Bescheid, daß Hafer für die Pferde verabfolgt werden solle, wäre erst am nächsten Tage erfolgt. Der Oberst indessen lief mit hinaus. Er drückte ihm kräftig die Hand, preßte sie an sein Herz und bedankte sich bei ihm dafür, daß er ihm Gelegenheit gegeben habe, den Verwaltungsapparat in praktischer Tätigkeit zu sehen; Verweise und Rügen seien unentbehrlich, da sonst alles in Schlaf versinken und die Sprungfedern der Verwaltung einrosten und erschlaffen könnten. Infolge dieses Ereignisses sei ihm eine glückliche Idee gekommen: eine neue Kommission einzurichten, welche »Kommission zur Beaufsichtigung der Baukommission« heißen solle, so daß von nun an niemand mehr zu stehlen wagen werde.
    Ärgerlich und unzufrieden kam Tschitschikow erst spät wieder zurück, als schon längst Licht angezündet war.
    »Woher haben Sie sich denn so verspätet?« fragte Kostanschoglo, als er in der Tür erschien.
    »Worüber haben Sie sich denn so lange mit ihm unterhalten?« fragte Platonow.
    »Einen solchen Narren habe ich, solange ich lebe, noch nicht gesehen«, erwiderte Tschitschikow.
    »Nun, es ist noch kein großes Unglück!« versetzte Kostanschoglo. »Koschkarew ist eine lehrreiche Erscheinung. Er ist insofern nützlich, als sich in ihm die Dummheiten all unserer klugen Reformer in karikierter, aber um so deutlicherer Art widerspiegeln, all dieser klugen Reformer, die, ohne vorher die bei ihnen bestehenden Zustände und Einrichtungen zu kennen, Dummheiten ins Werk setzen. Man sehe nur, was jetzt für eine Sorte von Gutsbesitzern aufgekommen ist: da haben sie Kontore eingeführt und Fabriken und Schulen und Kommissionen und der Teufel weiß was sonst noch alles! Das sind diese klugen Reformer! Eben fingen wir an, uns nach der französischen Invasion von 1812 zu erholen, da bringen sie jetzt wieder von neuem alles in Unordung. Sie richten mehr zugrunde als der Franzose, so daß jetzt so ein Peter Petrowitsch Pjetuch noch ein verhältnismäßig

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